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Anleihen im Blickpunkt: Das Jahr der großen Zweiteilung

Anleihen-Co-CIO Pilar Gomez-Bravo analysiert die zunehmende Divergenz der Geld- und Fiskalpolitik weltweit und schreibt, wo sie trotz hoher Bewertungen und wachsender Unsicherheit noch Chancen sieht.

AUTORIN

Pilar Gómez-Bravo, CFA
Co-CIO Fixed Income

Im Überblick

  • Wichtige Risikofaktoren sind unter anderem ein möglicher Handelskrieg, überkaufte Märkte und der Konsens, dass eine Rezession ausbleibt.
  • Credits sind durchweg teuer. Verzerrte Staatsanleihenrenditen könnten aber Mehr-ertrag ermöglichen.
  • Das derzeitige Umfeld erfordert einen Einzelwertansatz, um interessante Titel zu finden.

Die derzeitige Lage am Anleihenmarkt erfordert eine genaue Kenntnis der Konjunktur und ihrer Bestimmungsfaktoren. Die USA sind zu einer Quelle der Unsicherheit geworden, was zusammen mit der angespannten Weltlage für neue Herausforderungen sorgt. Dabei könnten sich die einzelnen Regionen recht unterschiedlich entwickeln. Die Notenbanken reagieren zurückhaltend und warten vor großen Entscheidungen auf eindeutigere Zahlen. Dieser konservative Ansatz ist sinnvoll, weil Zölle, Einwanderungspolitik, Deregulierung, Fiskalpolitik und Energiepolitik zu einer schwierigen Gemengelage führen.

Herausforderungen und Chancen bei Anleihen

Bei Anleihen ist strategisches Portfoliomanagement daher alternativlos. Das US-Haushaltsdefizit ist ein wesentliches Hindernis für die Umsetzung der Trump’schen Wirtschaftspolitik. Dass der US-Dollar die Weltreservewährung ist, hilft den USA natürlich. Irgendwann könnte aber ein Punkt erreicht sein, an dem die Märkte das Haushaltsdefizit nicht mehr so leicht hinnehmen. Ein schwächerer Dollar und höhere Langfristrenditen könnten Anzeichen dafür sein, dass der Markt das Defizit kritischer sieht. Dennoch rechnen wir zumindest kurzfristig nicht mit einem großen Kurseinbruch wie in Großbritannien oder Frankreich.

Unsere größte Sorge ist ein möglicher Handelskrieg, der in den Anleihenkursen noch nicht vollständig berücksichtigt ist. Weil er große Auswirkungen auf den Welthandel und die wirtschaftliche Stabilität haben könnte, müssen Investoren die Entwicklung genau im Blick behalten. Hinzu kommt, dass manche Positionen stark überkauft sind, was zu Liquiditätsengpässen führen könnte. Zurzeit sind die Märkte zwar liquide, wenn aber Leverage abgebaut wird, wie letztes Jahr beim Yen-Carry-Trade, könnten die Kurse ordentlich fallen. Das könnte viele Anleger auf dem falschen Fuß erwischen. Konsens ist unterdessen, dass keine Rezession droht, auch wenn die wirtschaftliche Ungleichheit in den USA noch immer groß ist, Teile der Bevölkerung nach wie vor Finanzprobleme haben und die politische Unsicherheit dem Konsum- und Geschäftsklima schaden dürfte. Ein weiteres Konjunkturrisiko sind Trumps immer neue Ideen. Die US-Wirtschaft könnte erst einmal nachlassen, bevor manche der wachstumsfreundlicheren Maßnahmen wirken.

Die weltweiten Anleihenbewertungen sind Herausforderung und Chance zugleich. Credits sind durchweg teuer, doch sehen wir Mehrwertchancen durch verzerrte Staatsanleihenrenditen. Viele Anleger bevorzugen grundsätzlich Kurzläufer, interessieren sich trotz der engen Spreads aber nach wie vor sehr für Credits. Dieses Umfeld erfordert einen Einzelwertansatz, um konkrete Chancen zu nutzen. Mit Geduld und Geschick kann man von Fehlbewertungen profitieren. Zugleich muss man sich der Asymmetrie von Risiken und Ertragschancen bei Credits bewusst sein.

Portfoliopositionierung

Entscheidend sind eine strategische Positionierung und sorgfältige Einzelwertauswahl bei Investmentgrade-Credits, High Yield, Emerging-Market-Anleihen und strukturierten Produkten. Schließlich sind die Bewertungen hoch, und die Lage ist unsicher. Im komplexen Marktumfeld von heute ist neben der Konzentration auf konkrete Verzerrungen eine defensive Portfoliostruktur mit Credits und Staatsanleihen wichtig, um langfristige Mehrwertchancen besser nutzen zu können. Fiskalpolitik, Wechselkursbewegungen und Konjunktur sollte man genau im Blick behalten, da man nur so fundierte Anlageentscheidungen treffen kann. Eine sorgfältige Diversifikation mit dem Schwerpunkt auf Qualitätstiteln kann Risiken mindern und in diesem schwierigen Umfeld die Portfolioperformance verbessern.

Investmentgrade
Das derzeitige Konjunkturregime mit niedrigem Wachstum und niedriger Inflation spricht für Investmentgrade-Credits. Sie sind defensiver, und ihre Ausfallrisiken sind geringer. Dennoch müssen Anleger auf eine mögliche Spreadausweitung bei einer Marktkorrektur vorbereitet sein. Der Carry von Investmentgrade-Anleihen ist trotz der hohen Bewertungen attraktiv. Zuletzt schienen uns US-Titel im Vergleich zu europäischen wieder interessanter, auch wenn wir in Europa insgesamt übergewichtet bleiben. 

High Yield
High-Yield-Anleihen sind überkauft – insbesondere Kurzläufer –, bieten aber trotzdem noch Chancen. Das gemessen an der Nachfrage geringe Emissionsvolumen spricht für den Sektor, doch muss man wegen der sehr engen Spreads unbedingt einen Einzelwertansatz verfolgen und Anlageideen von Analysten umsetzen.

Emerging-Market-Anleihen
Die Emerging Markets bieten zahlreiche Chancen. Manche Länder sind finanziell recht stabil, was sie trotz der insgesamt negativen Stimmung (wegen des starken Dollar) interessant macht. Die Spreads von Emerging-Market-Anleihen mit Investmentgrade-Status sind weniger attraktiv. Bei Crossover-Titeln finden wir aber weiter Anlagemöglichkeiten.

Strukturierte Credits
Strukturierte Credits bleiben wegen ihrer variablen Verzinsung attraktiv, zumal zahlreiche Titel noch immer einen interessanten Zinsvorsprung bieten. Zur Risikominderung sollte man strukturierte Credits, auch Hypothekenanleihen, stark diversifizieren. Wichtig ist auch, auf die Liquidität zu achten und Bewertungsunterschiede zu nutzen. 

Duration
Das Durationsmanagement ist bei Anleihen stets wichtig. Das gilt vor allem für die USA, wo eine Stagflation wahrscheinlicher geworden ist. Weil die Geldpolitik aufgrund der unsicheren Lage schwer einzuschätzen ist, ist es nicht leicht, sich wirklich aus voller Überzeugung zu positionieren. Wichtig ist eine weltweite Diversifikation mit einem Schwerpunkt auf Ländern, deren Geldpolitik gemessen an der Konjunktur zuletzt restriktiv war. Das gilt etwa für Korea und Kanada, wo die Notenbanken die Zinsen gerade erst gesenkt haben. Eine überdurchschnittliche Duration kann auch in europäischen Ländern interessant sein, deren Notenbanken die Geldpolitik vermutlich weiter lockern. Entscheidend ist, unterschiedliche Laufzeiten und unterschiedliche Länder miteinander zu kombinieren, sodass das Portfolio eine angemessene Rendite erzielt und die Chance auf hohe Erträge besteht. Bisweilen setzen wir auch nicht einfach nur auf Duration, sondern auf eine steilere Zinsstrukturkurve.

Fazit

Die interessantesten Chancen sehen wir dort, wo die Notenbanken noch immer restriktiv sind und die Kurse verzerrt sein könnten. Anleger sollten sich der Risiken überkaufter Märkte und möglicher Liquiditätsengpässe bewusst sein. Angesichts der derzeitigen Komplexitäten halten wir eine sorgfältige, diversifizierte und einzelwertorientierte Portfoliokonstruktion für unumgänglich. Durch die Kombination von Top-down-Ansätzen mit einem ausgeprägten Einzelwertfokus können Anleger die derzeitigen Marktchancen bestmöglich nutzen.

 

Anlagen in Schuldtitel können an Wert verlieren, wenn sich die (tatsächliche oder wahrgenommene) Kreditqualität des Emittenten, Schuldners, Kontrahenten bzw. anderer zahlungs-verantwortlicher Personen/Unternehmen oder der zugrunde liegenden Sicherheiten verschlechtert. Wertverluste sind auch bei einer Veränderung der Konjunktur, des politischen Umfelds sowie aus emittentenspezifischen oder anderen Gründen möglich. Bestimmte Anleihenarten können auf diese Faktoren stärker reagieren und sind dadurch volatiler. Hinzu kommen Zinsrisiken (steigen die Zinsen, verlieren Festzinstitel üblicherweise an Wert). Deshalb können die Anteilspreise des Fonds bei steigenden Zinsen fallen, da sich der Wert der Portfoliopositionen an die steigenden Zinsen anpasst.

Die hier dargestellten Meinungen sind die des Autors/der Autoren und können sich jederzeit ändern. Sie dienen ausschließlich Informationszwecken und dürfen nicht als Empfehlung zum Kauf von Wertpapieren, Aufforderung oder als Anlageberatung verstanden werden. Prognosen sind keine Garantien. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist keine Garantie für künftige Ergebnisse.

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