20 Dezember 2024
Vorsichtige Fed deutet weniger Zinssenkungen im neuen Jahr an
Wirtschaft und Märkte aktuell
Von Jamie Coleman
Senior Strategist,
Strategy and Insights Group
14. bis 20. Dezember 2024
Internationale Aktien gaben diese Woche kräftig nach, weil die Fed weniger Zinssenkungen in Aussicht stellte. Die US-Zehnjahresrendite stieg um 14 Basispunkte auf 4,50%; am Donnerstag hatte sie zeitweise sogar 4,59% betragen. Das Barrel Rohöl der Sorte West Texas Intermediate verbilligte sich um 1,60 US-Dollar auf 69,10 US-Dollar. Gemessen an Terminkontrakten auf den CBOE Volatility Index (VIX) stieg die Volatilität diese Woche von 14,15 auf 19,6.
Fed senkt Zinsen, aber was kommt jetzt?
Am Donnerstag hat die Fed ihren Leitzins um 25 Basispunkte auf 4,25% bis 4,50% gesenkt. Ausmaß und Zeitpunkt weiterer Senkungen wolle sie prüfen, was für eine restriktivere Geldpolitik spricht als bislang in Aussicht gestellt. Notenbankchef Powell benutzte in seiner Pressekonferenz am Mittwoch sechsmal das Wort „vorsichtig“ und sprach von einer „neuen Phase“ der Geldpolitik, in der die Zinsen langsamer gesenkt würden. Die Inflation sei noch nicht auf den Zielwert gefallen und die Wirtschaft „in einer wirklich guten Verfassung“. Man fragt sich deshalb, warum die Fed die Zinsen überhaupt noch senken soll. Tatsächlich stimmte ein Offenmarktausschussmitglied für einen unveränderten Leitzins, und drei nicht stimmberechtigte Mitglieder hatten für Ende 2024 eine unveränderte Federal Funds Rate prognostiziert, sodass auch sie wohl gegen eine Senkung gestimmt hätten. Nach den Senkungen um mittlerweile 100 Basispunkte plant die Fed noch niedrigere Leitzinsen laut Powell erst bei einem weiteren Inflationsrückgang. Die Offenmarktausschussmitglieder rechnen 2025 jetzt mit zwei weiteren Senkungen um jeweils 25 Basispunkte. Im September waren sie noch von vier ausgegangen, und am Markt erwartete man am Donnerstag überhaupt keine Senkungen in der ersten Jahreshälfte mehr. Außerdem geht der Offenmarktausschuss jetzt von mehr Inflation, einem höheren Wachstum und einer niedrigeren Arbeitslosenquote aus. Nach der Medianprognose seiner Mitglieder wird die Teuerung erst 2027 auf ihren Zielwert fallen. Laut Powell machen sich manche Mitglieder Gedanken um die möglichen Folgen von Trumps Politik, andere hingegen nicht. Er selbst sei für die Konjunktur sehr optimistisch und rechne mit einem weiteren guten Jahr. Was gut für die Wirtschaft ist, ist aber schlecht für Anleihen: Am Mittwochnachmittag schnellten die Renditen in die Höhe, in den Stunden nach der Sitzung zeitweise um über 20 Basispunkte. Dabei kam es zu einem heftigen Ausverkauf am Aktienmarkt, bevor er sich am Donnerstag wieder stabilisierte.
US-Wachstum im 3. Quartal nach oben korrigiert
Nach der dritten Schätzung ist die US-Wirtschaft im 3. Quartal um 3,1% gewachsen (annualisiert). Zuvor hatte man 2,8% angenommen. Der Konsum stieg um 3,7%, was für weiterhin gute Haushaltsfinanzen spricht. Außerdem wurde bekannt, dass die Verkäufe von Bestandsimmobilien um 4,8% gestiegen sind, den höchsten Wert seit März. Die Baubeginne gingen im November zwar um 1,8% zurück, die Baugenehmigungen – ein Frühindikator – stiegen aber um 6,1%.
Government Shutdown in letzter Minute abgewendet
Führende Kongressmitglieder versuchten diese Woche, einen Nothaushalt zustande zu bringen, sodass die US-Regierung auch nach Freitagnacht arbeitsfähig bleibt. Ein von den Führern beider Kammern zu Wochenbeginn ausgehandelter Kompromiss wurde in letzter Minute torpediert, weil der designierte Präsident Trump milliardenschwere neue Staatsausgaben ablehnte. Trump forderte für seine Zustimmung zu einer Überbrückungsfinanzierung, dass die Schuldenobergrenze erhöht oder abgeschafft werden solle. Zugleich forderte er etwa 10 Milliarden US-Dollar für Landwirte und 100 Milliarden US-Dollar für Hilfen bei Naturkatastrophen. Ansonsten solle kein weiteres Geld ausgegeben werden. Dieser Vorschlag wurde am Donnerstagabend zur Abstimmung gestellt, fand aber keine Mehrheit. In allerletzter Minute gelang dann doch noch ein Kompromiss, den Präsident Biden am Samstagmorgen unterzeichnete.
Auch andere Notenbanken sind nicht untätig
Die Notenbanken waren diese Woche sehr aktiv. Die Bank of England und die Bank of Japan ließen ihre Leitzinsen unverändert, während die mexikanische Notenbank und die schwedische Riksbank ihre Zinsen um einen viertel Prozentpunkt senkten. Die Bank of England äußerte sich überraschend milde und sprach mehr von Wachstumsrisiken als von einer hartnäckigen Inflation. Der japanische Leitzins beträgt unverändert 0,25%, was manche überrascht hat, die mit einer Erhöhung um 25 Basispunkte gerechnet hatten. Begründet wurde der Verzicht auf höhere Zinsen mit der Unsicherheit über Konjunktur und Inflation. Mexikos Notenbank senkte ihren Leitzins auf 10% und schloss stärkere Senkungen als die 25 Basispunkte vom Donnerstag in Zukunft nicht aus – schließlich sei die Inflation zuletzt gefallen. Die Riksbank senkte ihren Leitzins um 25 Basispunkte auf 2,5% und stellte für den Fall eines unveränderten Konjunkturausblicks eine weitere Senkung in der ersten Jahreshälfte 2025 in Aussicht.
Der bevorzugte Inflationsindikator der Fed, der PCE-Preisindex, stieg im November um 0,1% z.Vm. Auch der Kernindex legte um 0,1% zu. Beides lag unter den Erwartungen. Im Vorjahresvergleich stieg der PCE-Index um 2,4%, nach 2,3% im Oktober, während der Kernindex in beiden Monaten um 2,8% z.Vj. zulegte. Die Anleihenrenditen gingen nach diesen Zahlen zurück.
Einmal mehr sprach sich Trump diese Woche für nationale strategische Bitcoin-Reserven aus.
Im November fielen in China die Preise neuer und gebrauchter Immobilien weiter, und der Umsatz am Wohnimmobilienmarkt ging um 20% z.Vj. zurück. Die Industrieproduktion stieg letzten Monat um 5,4% z.Vj. und damit etwas stärker als im Oktober (5,3%), die Einzelhandelsumsätze legten um 3% zu. Sie blieben deutlich hinter den Erwartungen zurück. Es heißt, China plane ein Haushaltsdefizit von 4%, deutlich mehr als die derzeitigen 3%. Am Wachstumsziel von etwa 5% soll sich dem Vernehmen nach nichts ändern.
Diese Woche wurden die vorläufigen Einkaufsmanagerindizes (PMIs) für Dezember vorgelegt. Die Tabelle zeigt die Flash-Schätzungen für Dezember sowie die endgültigen Novemberwerte. Wegen der guten US-Dienstleistungskonjunktur ist der amerikanische Composite-PMI auf ordentliche 56,6 gestiegen.
Land/Region | Verarbeitendes Gewerbe | Dienstleistungen | Composite |
Euroraum | 45,2 (unverändert) | 51,4 von 49,5 | 49,5 von 48,3 |
Großbritannien | 47,3 von 48,0 | 51,4 von 50,8 | 50,5 (unverändert) |
Japan | 49,5 von 49,0 | 51,4 von 50,5 | 50,8 von 50,1 |
USA (S&P) | 48,3 von 49,7 | 58,5 von 56,1 | 56,6 von 54,9 |
Kanadas Vizeministerpräsidentin und Finanzministerin Chrystia Freeland sowie Wohnungsbauminister Sean Fraser traten diese Woche zurück. Ministerpräsident Trudeau ernannte Dominic LeBlanc zum Finanzminister. Am Freitag dürfte er weitere Kabinettsposten neu besetzen.
Südkoreas Parlament hat Präsident Yoon Suk-yeol des Amtes enthoben und von der Ausübung seiner Amtsgeschäfte suspendiert. Geschäftsführender Präsident ist jetzt Premierminister Han Duck-soo.
Moody’s hat Frankreichs Länderrating von Aa2 auf Aa3 herabgestuft und das mit der politischen Instabilität begründet. Sie behindere eine solide Finanzpolitik.
Donald Trump und Masayoshi Son, SEO der SoftBank Group, erklärten am Montag gemeinsam, dass SoftBank in den nächsten vier Jahren mindestens 100 Milliarden US-Dollar in Projekte in den USA investieren wolle. Das japanische Unternehmen schätzt, dass die US-Investitionen 100.000 Arbeitsplätze in den Bereichen Künstliche Intelligenz und neue Technologien schaffen werden.
Im November stiegen die amerikanischen Einzelhandelsumsätze um 0,7% z.Vm., mit Autos an der Spitze.
Der Frühindikatorindex des Conference Board stieg im November um 0,3%, der erste Anstieg seit Februar 2022.
Das deutsche Geschäftsklima verschlechterte sich weiter; der ifo-Index fiel von 87 im November auf 84,4 im Dezember. Die Anlegerstimmung verbesserte sich hingegen; die ZEW-Konjunkturerwartungen legten von 7,4 auf 15,7 zu, da man nach den vorgezogenen Neuwahlen im Februar mit einer lockeren Fiskalpolitik rechnet.
Argentinien hat die Rezession im 3. Quartal überwunden; erstmals seit Ende 2023 ist die Wirtschaft wieder gewachsen, weil Javier Mileis Reformen offensichtlich wirken. Die Wirtschaft wuchs um 3,9% z.Vq.
Wegen des schwächeren Yen und der hohen Auslandsnachfrage stiegen die japanischen Exporte im November um 3,8%.
Das französische Parlament einigte sich auf einen Nothaushalt, sodass die Regierung bis Januar weiterarbeiten kann. Premierminister François Bayrou wird im neuen Jahr versuchen, einen Haushalt für 2025 durch das Parlament zu bringen.
Am Freitag warnte Trump die Europäische Union vor „Zöllen ohne Ende“, falls der Handelsbilanzüberschuss mit den USA nicht durch umfangreiche Käufe von amerikanischem Öl und Erdgas abgebaut würde.
Kanadas Regierung teilte diese Woche mit, dass sie 900 Millionen Dollar für Hubschrauber, Drohnen und neue Beamte ausgeben wolle, um die Grenze zu den USA besser zu sichern. Damit will sie einen 25-prozentigen Zoll auf Exporte in die USA abwenden.
Am Freitag war die amerikanische Zehnjahresrendite um 24 Basispunkte höher als die Zweijahresrendite, der größte Abstand seit Juni 2022. Inflationssorgen lassen die Langfristrenditen steigen. Zu Wochenbeginn hatte der Abstand noch etwa 15 Basispunkte betragen.
Montag: britisches BIP im 3. Quartal (endgültig)
Dienstag: Protokoll der australischen Notenbanksitzung, Bestellungen langlebiger Güter und Verkäufe neuer Immobilien in den USA
Mittwoch: erster Weihnachtstag
Donnerstag: zweiter Weihnachtstag
Freitag: japanische Einzelhandelsumsätze, US-Handelsbilanz
Fokussiert und diversifiziert bleiben
Unabhängig vom Marktumfeld halten wir es für sehr wichtig, dass Investoren stark nach Assetklassen diversifizieren. Durch eine enge Zusammenarbeit mit Ihrem Investmentberater können Sie dazu beitragen, dass Ihr Portfolio angemessen diversifiziert ist und zu Ihren Langfristzielen, Ihrem Zeithorizont und Ihrer Risikobereitschaft passt. Diversifikation garantiert aber keine Gewinne und schützt auch nicht vor Verlusten.
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Quellen: MFS Research, Wall Street Journal, Financial Times, Reuters, Bloomberg News, FactSet Research, CNBC.com.
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