decorative

Was kommt nach der extremen Marktkonzentration?

Die hohe Marktkonzentration ist in aller Munde. Wir analysieren die aktuelle Lage und untersuchen u.a., ob die Konzentration auch im Vergangenheitsvergleich besonders hoch ist und was auf einen hochkonzentrierten Markt folgt.

AUTOREN

Benjamin R. Nastou, CFA
Co-CIO Quantitative Solutions

Derek W. Beane, CFA
Institutional Portfolio Manager

Jonathan Perlman
Quantitative Sr. Research Associate

Nach dem extremen Kursanstieg der Magnificent 7 in den USA und der GRANOLAS in Europa ist die hohe Marktkonzentration in aller Munde. Die Großen wurden immer größer, und ihr Anteil an der Marktkapitalisierung wuchs und wuchs. Weil Indizes wie der S&P 500 kapitalisierungsgewichtet sind, haben sie aufgrund der guten Performance einiger weniger hochkapitalisierter Aktien ebenfalls kräftig zugelegt. Die eher mittelmäßige Wertentwicklung der vielen anderen Titel fiel dadurch nicht weiter auf. Verstärkt wurde die Entwicklung durch die immer zahlreicheren passiven Fonds und ETFs, die die Nachfrage weiter anheizten. Passiven Investoren kam das entgegen, da ihnen die Gewinne einiger weniger Titel hohe Erträge bescherten. Wenn Ihr Portfolio überwiegend aus klassischen Large Caps oder hochkapitalisierten Wachstumswerten bestand (wie sie der S&P 500 enthält), haben Sie vermutlich ordentlich verdient, anders als bei einem anderen Portfolioschwerpunkt. In den fünf Jahren von Januar 2019 bis Dezember 2023 hat man mit kapitalisierungsgewichteten Large Caps 126% verdient, mit Small Caps aber nur 61%. Ähnlich groß ist der Unterschied bei den Investmentstilen: Growth verzeichnete 137% Plus, Value nur 67%.1, 2, 3, 4

Angesichts der extremen Marktkonzentration stellen sich zwei Fragen:

  1. Ist sie auch im Vergangenheitsvergleich besonders hoch?
  2. Was folgt oft auf einen hochkonzentrierten Markt?

Damals und heute

Konzentration kann man auf unterschiedliche Weise messen, kommt aber offensichtlich immer zum gleichen Ergebnis: Selten zuvor war der US-Aktienmarkt so konzentriert wie heute. In der Presse ging es zuletzt meist um den S&P 500, wogegen auch nichts einzuwenden ist. Wir legen aber Wert auf eine umfassendere Analyse und betrachten deshalb alle börsennotierten US-Aktien.5 Abbildung 1 zeigt, dass es auch früher hochkonzentrierte Märkte gab, doch sind wir von der höchsten Konzentration der letzten 100 Jahre nicht mehr weit entfernt. Das heißt nicht, dass sie bald wieder nachlassen muss. Wir haben keine Kristallkugel. Die Vergangenheit kann aber Anhaltspunkte dafür liefern, was bei einem Regimewechsel zu erwarten ist. 

Interessant ist auch, dass die Konzentration wenig mit der Marktphase zu tun hat: Besonders hoch war sie nicht nur in der Hausse, wenn Anleger (wie 1973 und 2000) in ihre Lieblingsaktien getrieben wurden, sondern auch in der Baisse (wie 1932 und 1957). 

Und jetzt?

Märkte folgen Zyklen. Mal liegt Value vorn, mal Growth; mal Large Caps, mal Small Caps; mal US-Aktien, mal nicht amerikanische Titel – und mal sind die Märkte konzentriert und mal nicht. Anleger müssen das wissen. Wie die Abbildung zeigt, kommt nach einer Konzentrationsphase irgendwann eine Zeit, in der sich Diversifikation wieder lohnt. Wenn auf jede Konzentrationsphase eine Diversifikationsphase folgt, muss man sich fragen, wie lange der Konzentrationsabbau dauert und was er für welche Marktsegmente bedeutet.

Wir haben deshalb die Zeit unmittelbar vor und unmittelbar nach den Maximalkonzentrationen in Abbildung 1 untersucht. Wir wollten wissen, wie lange die Konzentration steigen kann und wie lange der anschließende Abbau dauert.

Bei steigender Marktkonzentration wächst der Indexanteil hochkapitalisierter Aktien, meist zum Vorteil schwach diversifizierter Portfolios. Nach dem Maximum gewinnt der Markt meist an Breite, sodass sich eine stärkere Diversifikation anbietet. Die Phasen dauern meist sehr lange. Im Schnitt nimmt die Konzentration etwa zehn Jahre lang zu, um dann zehn Jahre lang zu fallen. Selbst wenn es schnell geht, dauern Konzentrations- und Diversifikationsphase mindestens vier bis fünf Jahre, was manche für einen vollen Marktzyklus halten. Als die Marktkonzentration im Jahr 2000 zu fallen begann, dauerte die Diversifikationsphase bis April 2006. Die anschließende Konzentrationsphase hält aber jetzt schon fast 20 Jahre an, was deutlich über dem Durchschnitt liegt. Wir wissen nicht, wann sie endet. Es gibt aber empirische Anhaltspunkte dafür, dass sie sowohl extrem ausgeprägt als auch extrem lang ist.

Die Kurse steigen und fallen, und die Konzentration nimmt mal zu und mal ab. Zweifellos kann sie aber Auswirkungen auf andere Marktparameter haben. Das zeigte sich in den letzten Jahren, als hochkapitalisierte Wachstumsaktien deutlich vor Small Caps und Substanzwerten lagen. Ist das typisch für eine solche Phase? Und was passiert, wenn es sich ändert?

Abbildung 3 zeigt die durchschnittlichen annualisierten und kumulierten Mehrerträge nach dem  Konzentrationsmaximum für unterschiedliche Zeiträume in den USA. Dargestellt sind die Performance-unterschiede zwischen dem gleichgewichteten und dem kapitalisierungsgewichteten Index, Small Caps und Large Caps sowie zwischen Substanz- und Wachstumswerten. Ganz rechts sieht man den Mehrertrag während der gesamten Diversifikationsphase, vom Konzentrationsmaximum bis zum Konzentrationsminimum.

Man sieht, dass dann meist die Marktsegmente besser abschneiden, die in den Jahren zuvor hinten gelegen haben – und das mit großem Vorsprung. Konkret zeigt Abbildung 3 Folgendes:

  • Marktbreite: Gleichgewichtete Indizes lagen deutlich vor kapitalisierungsgewichteten Indizes. Nach einer Zeit mit extremer Konzentration verzeichneten diversifiziertere Portfolios (etwa gleich- gewichtete) im Schnitt Mehrertrag gegenüber ihren stärker konzentrierten, kapitalisierungs-gewichteten Pendants. Das könnte gut für aktive Manager sein, die meistens stärker diversifizieren. Definitionsgemäß entsprechen passive Portfolios hingegen genau dem Index, dem sie folgen. Da einige wenige sehr erfolgreiche Titel einen großen Teil der Large-Cap-Indizes ausmachen, könnte eine Schwäche dieser Titel hohe Verluste passiver Strategien zur Folge haben. Aktive Manager können hingegen behutsam diversifizieren und das hohe Konzentrationsrisiko der Benchmark meiden.
  • Größe: Small Caps lagen vor Large Caps. Vielleicht verzichtet man auf Ertrag, wenn man nicht auch in niedriger kapitalisierte Aktien investiert. Die Verzerrung vieler Large-Cap-Indizes und die Möglichkeit, aktive Positionen in einem weniger von Analysten beobachteten und weniger effizienten Markt einzugehen, könnten aktiven Managern ebenfalls nützen. Sie haben die Aussicht auf Mehrertrag durch Einzelwertauswahl. 
  • Stil: Value lag vor Growth. Wie bei der Marktkapitalisierung kann sich auch bei den Anlagestilen Diversifikation lohnen. Natürlich lagen Wachstumswerte zuletzt vorn. Stildiversifikation kann aber die Erträge stabilisieren, wenn sie irgendwann wieder hinten liegen.

Natürlich weiß niemand genau, wann die Konzentration wieder fällt. Aber das halten wir auch gar nicht für so wichtig. Ob der Betrachtungszeitraum ein oder zwei Jahre vor dem Konzentrationsmaximum beginnt, ist für das Vorzeichen unserer Ergebnisse egal. Selbst wenn man zu früh umschichtet, kann man unserer Ansicht nach am Wendepunkt von einer höheren Diversifikation profitieren. Wir halten eine ordentliche Diversifikation für wichtiger als den genauen Zeitpunkt.

Fazit: Argumente für Diversifikation

Nach den hohen Kursgewinnen der letzten zehn Jahre, ermöglicht durch nur wenige Aktien, kann man den Nutzen der Diversifikation leicht vergessen. Aber das wäre unklug. Die letzten gut zehn Jahre werden wohl irgendwann als eine Zeit extremer Konzentration in die Geschichte eingehen – mit einer sehr guten Performance einiger weniger Titel. Wir wissen nicht, wann der Regimewechsel kommt. Die Vergangenheit zeigt uns aber, dass er dramatisch werden kann. Die anschließende Diversifikationsphase kann dann genauso lange dauern wie die Konzentrationsphase zuvor. Diversifikation und aktives Management können sich lohnen!

 

Anmerkungen

1 S&P Bruttoertrag der Top 50.
2 Russell 2000®, Gesamtertrag.
3 Russell 3000® Growth, Gesamtertrag.
4 Russell 3000® Value, Gesamtertrag.
5 Quellen: NYSE, American Stock Exchange und NASDAQ, aus der Kenneth French Data Library (dartmouth.edu), https://mba.tuck.dartmouth.edU/pages/faculty/ken.french/data_library.html#Research.

„Standard & Poor’s®” und „S&P®” sind eingetragene Handelsmarken von Standard & Poor’s Financial Services LLC (S&P); Dow Jones ist eine eingetragene Handelsmarke von Dow Jones Trademark Holdings LLC (Dow Jones). S&P Dow Jones Indices LLC hat ihre Nutzung genehmigt, und MFS darf sie zu bestimmten Zwecken nutzen. Der S&P 500® ist ein Produkt von S&P Dow Jones Indices LLC. Das Unternehmen hat MFS die Nutzung des Index genehmigt. Die Produkte von MFS werden von S&P Dow Jones Indices LLC, Dow Jones, S&P oder ihren Tochterunternehmen nicht gefördert, angeboten, vertrieben oder beworben. Weder S&P Dow Jones Indices LLC noch Dow Jones, S&P oder ihre Tochterunternehmen treffen eine Aussage darüber, ob diese Produkte empfehlenswert sind.

Quelle und Eigentümer der Handelsmarken, Dienstleistungsmarken und Copyright-Angaben zu den Russell-Indizes ist die Frank Russell Company (Russell). Russell® ist eine Handelsmarke der Frank Russell Company. Weder Russell noch seine Lizenzgeber übernehmen irgendeine Haftung für Fehler oder Auslassungen in den Russell-Indizes oder -Ratings. Niemand sollte sich auf die Russell-Indizes, Russell-Ratings und/oder auf die in diesem Dokument enthaltenen Daten verlassen. Die Russell-Informationen dürfen nur mit vorheriger und ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung von Russell weitergegeben werden. Der Inhalt dieses Dokuments wurde/wird von Russell nicht beworben, unterstützt oder genehmigt.

Die hier dargestellten Meinungen sind die des Autors/der Autoren und können sich jederzeit ändern. Sie dienen ausschließlich Informationszwecken und dürfen nicht als Empfehlung zum Kauf von Wertpapieren, Aufforderung oder als Anlageberatung verstanden werden. Prognosen sind keine Garantien. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist keine Garantie für künftige Ergebnisse.

Diversifi kation garantiert keine Gewinne und schützt auch nicht vor Verlusten.

58894.1
close video