
Februar 2025
Zeit für neues Denken
Was DeepSeek für Investoren bedeutet
Ross Cartwright
Lead Strategist
Strategy and Insights Group
„Wenn sich die Fakten ändern, ändere ich meine Meinung. Und was tun Sie?“ – John Maynard Keynes
DeepSeek1 hat den KI-Sektor entscheidend verändert. Alte Gewissheiten wurden infrage gestellt, und für Investoren ist vieles nicht mehr, wie es war. Marktdominanz, Zugang zu KI und strategische Investitionen – all das könnte jetzt anders sein.
Bei KI setzen Anleger traditionell auf moderne Computertechnik, neue Algorithmen und innovative Verfahren zur Datenanalyse, also gewissermaßen das Werkzeug, ohne das Künstliche Intelligenz nicht möglich wäre. Investiert wurde vor allem in eine Handvoll Unternehmen, wobei man oft unberücksichtigt ließ, dass sie sich auch ganz anders entwickeln könnten als angenommen. Durch die innovativen Algorithmen und den Open-Source-Ansatz von DeepSeek stehen jetzt aber nicht mehr klassische Hardwareverbesserungen im Mittelpunkt, sondern deutlich komplexere Bereiche wie die Optimierung von Algorithmen und die Auswertung von Daten. Natürlich wurden diese Algorithmen schon immer kontinuierlich weiterentwickelt, aber DeepSeek nutzt dazu neue Technologien. Das beschleunigt nicht nur den technischen Fortschritt, sondern führt auch zu vielfältigeren Anlagemöglichkeiten über hardwareorientierte Unternehmen und Datenzentren hinaus.
Der Abstand zwischen den führenden KI-Modellen und ihren Verfolgern wird kleiner, vor allem durch Open-Source-Anwendungen und die Entwicklung neuer Modelle. Die Basis der KI wird dadurch zur Massenware. Diese Ansicht vertreten wir schon länger, doch hat sich die Entwicklung zuletzt beschleunigt. Das Rennen um die besten Modelle wird heute nicht mehr unbedingt von den finanzkräftigsten Unternehmen gewonnen. Mehrwertchancen verspricht jetzt auch anwendungsspezifische KI, zum Vorteil von Sektoren wie Software-as-a-Service (SaaS) und mit der Aussicht auf eine neue Welle innovativer KI-Anwendungen. Vielleicht sollten Investoren daher nicht mehr primär auf KI-Basistechnologien setzen, sondern auf Unternehmen, die bei deren Nutzung in unterschiedlichen Branchen Hervorragendes leisten. Wir glauben, dass die Unternehmen am besten positioniert sind, die einen einzigartigen Datenbestand mit KI und Kundenorientierung verbinden.
Auch für IT-Dienstleister ist das eine gute Nachricht. Je mehr Unternehmen KI nutzen, desto mehr Support brauchen sie. Letztlich wächst auch der Bedarf an Cybersicherheit, da es immer mehr Angriffspunkte gibt und Malware und Phishing-Programme immer leichter verfügbar sind. Hier sehen wir große Möglichkeiten für Softwareentwickler.
Lage, Lage, Lage gilt bei Immobilien – und Daten, Daten, Daten bei KI. Und doch scheinen die großen Sprachmodelle (LLMs) nicht weiter wachsen zu können; die Fortschritte beim Training werden immer langsamer. Wer über eigene Datenbanken verfügt, ist noch immer im Vorteil. Aber wer auf öffentlich verfügbare Daten zurückgreifen muss, könnte Probleme bekommen. Das stützt unsere These, dass bestimmte Datenplattformen und Dienstleister davon profitieren, dass immer mehr Unternehmen ihre Daten auf die neuen KI-gestützten Anwendungen vorbereiten wollen.
Aufgrund der neuesten Entwicklungen wurden KI-Investitionen sowie Gewinn- und ROIErwartungen immer häufiger hinterfragt. Der wachsende Bedarf an moderner Hardware für komplexe KI-Aufgaben stellt aber sicher, dass noch immer in KI-Infrastruktur investiert wird. Zwar stehen wir jetzt an der Schwelle von der Trainings- zur Anwendungsphase, mit schnell fallenden Kosten. Dennoch gibt es bei Rechenzentren noch keine Anzeichen für Überkapazitäten. Der technische Fortschritt etwa durch die neue Blackwell-GPU von NVIDIA, die viermal so viel leistet wie bisherige Prozessoren und dabei weniger Energie verbraucht, spricht aber für weitere Verbesserungen bei Rechenleistung und Energieeffizienz.
Wir glauben, dass das Bemühen um eine allumfassende KI und modernste große Sprachmodelle auch weiter für eine hohe Nachfrage nach Infrastruktur und leistungsfähigen Computern sorgt. Allerdings ist ein KI-Modell für den Gesundheitssektor, das beispielsweise alle Proteine dieser Welt analysieren kann, sehr viel kleiner als ein großes Sprachmodell, das riesige Datenmengen verarbeitet. Wir glauben, dass künftig kleinere Modelle wichtiger werden, die Nachfrage nach Rechenleistung aber dennoch hoch bleibt. Als langfristige Investoren müssen wir aber auch im Blick behalten, was die derzeitigen hohen Wachstumsprognosen für 2027 und danach für die Bewertungen bedeuten.
Wir halten die Datencenterriesen, sogenannte Hyperscaler, auch bei kurzfristigen Schwierigkeiten durch fehlende Software, Bürokratie oder verzögerte KI-Umsetzung in Unternehmen für gut positioniert. Doch auch wenn 2025 wohl wieder viel investiert wird, ist der Ausblick danach unsicher. Wahrscheinlich wird der Investitionsbedarf weiter wachsen, aber die Kapitalintensität könnte trotzdem abnehmen. Dafür spricht etwa Microsofts jüngstes Moratorium für Investitionen in langlebige Vermögenswerte. Eine fallende Kapitalintensität wäre gut für Hyperscaler, aber nicht für Unternehmen, die Datenzentren mit Strom oder Kühlanlagen beliefern.
Der Trend zu kleineren Modellen könnte auch das Edge Computing fördern, bei dem KIModelle statt auf Servern etwa auf PCs und Smartphones arbeiten. Wir behalten solche Entwicklungen genau im Blick, zumal die Endgeräte dann noch leistungsfähigere Chips benötigten und „KI-fähige“ Geräte teurer verkauft werden könnten.
Wir glauben, dass Unternehmen, die KI klug nutzen – zur Effizienzsteigerung und zur Verbesserung des Kundenservice – Mehrertrag verzeichnen können. Qualitätsverbesserungen können die Margen steigen lassen, wenn die Unternehmen Preismacht haben und ihren Vorsprung sichern können. Wenn dann noch die KI-Kosten fallen, könnte das deflationär wirken.
Darüber hinaus könnten Neuentwicklungen auch in anderen Ländern und Regulierungsänderungen Investitionen beeinflussen. Interessant ist etwa das neue Small-3-Modell von Mistral, das nach Aussage des Unternehmens kleiner, schneller und billiger ist. Kann Europa so aufholen?
Beim Ausverkauf nach der Einführung von DeepSeek fielen viele Aktien, die als erstklassige „Datencenterwerte“ gelten, fast im Gleichschritt. Das ist verwirrend, handelt es sich dabei doch um sehr unterschiedliche Firmen, von Netzwerk- und Schnittstellenanbietern bis hin zu Elektrizitätsversorgern, Elektrotechnikfirmen und Herstellern von Kühlsystemen. Sie haben zwar alle miteinander zu tun, sind aber für Datenzentren an unterschiedlichen Stellen wichtig. Offensichtlich haben Anleger hier bislang wenig differenziert.
Mit DeepSeek werden die Grenzen und Möglichkeiten von KI neu definiert. Anleger sollten daher über einen dynamischen Ansatz nachdenken und versuchen, von der Marktentwicklung zu profitieren. Wir glauben, dass man mehr auf Unternehmen und Sektoren setzen sollte, die KI nicht nur entwickeln, sondern auch effizient umsetzen – um den Unternehmenswert zu steigern und Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Wer in diesem sich ändernden Umfeld Erfolg haben will, muss sowohl technologische Entwicklungen als auch ihre wirtschaftlichen und weltpolitischen Auswirkungen genau verstehen.
Hyperscaler bleiben gut positioniert, und Softwarefirmen dürften ebenfalls Erfolg haben, auch wenn man sich die möglichen Wachstumschancen genauer ansehen muss. Im KI-Sektor bleibt viel im Fluss. Als aktive Manager wollen wir von Marktbewegungen profitieren – durch Geschick und eine gute Vorbereitung auf Veränderungen in der KI-Welt. Wir halten das für sinnvoller, als weiter auf die Titel zu setzen, die in den letzten zwei Jahren vorn lagen.
1 DeepSeek ist ein chinesisches Start-up, das KI-Modelle baut.
Die hier dargestellten Meinungen sind die der MFS Strategy and Insights Group, eines Teils der Vertriebssparte von MFS. Sie können von denen der Portfoliomanager und Analysten von MFS abweichen. Die Einschätzungen können sich jederzeit ändern. Sie dürfen nicht als Anlageberatung, Wertpapierempfehlung oder Hinweis auf beabsichtigte Transaktionen von MFS verstanden werden. Prognosen sind keine Garantien.
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