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 Aktives Management – nicht nur 2025

Alle Investoren wollen hohes Gewinnwachstum. Die Folge ist eine starke Indexkonzentration. Hohe Gewinne führen zu mehr Wettbewerb. Irgendwann fallen die Erträge dann wieder. Aktive Investoren müssen erkennen, wo die Gewinne vermutlich fallen und wo nicht.

AUTHOR

Robert M. Almeida, Jr.
Portfoliomanager und Global Investment Strategist

Im Überblick

  • Alle Investoren wollen hohes Gewinnwachstum. Die Folge ist eine starke Indexkonzentration.
  • Hohe Gewinne führen zu mehr Wettbewerb. Irgendwann fallen die Erträge dann wieder.
  • Aktive Investoren müssen erkennen, wo die Gewinne vermutlich fallen und wo nicht.

Ursachen und Symptome sind zweierlei

Wir alle neigen dazu, Symptome mit Ursachen zu verwechseln. Oft kurieren wir dann an den Symptomen herum und nicht an ihren Auslösern. So ist es, wenn ein Hautarzt eine Salbe gegen Ausschlag verschreibt, die noch dazu Nebenwirkungen hat – statt sich mit den tieferen Ursachen zu befassen, einem ungesunden Lebenswandel etwa oder schlechter Ernährung. Dieses Herumdoktern an den Symptomen könnte erklären, warum der Anteil an Lebenszeit, die wir bei guter Gesundheit verbringen, nicht mit der steigenden Lebenserwartung Schritt hält und sogar fällt.

Kaum anders sieht es zurzeit an den Finanzmärkten aus. Die Indexkonzentration ist hoch wie nie. Oft lese und höre ich von aktiven Investoren, dass das mit der wachsenden Beliebtheit des passiven Investierens zu tun habe. Tatsächlich aber haben die rekordverdächtige Indexkonzentration und das immer noch ungebrochen wachsende passiv verwaltete Vermögen dieselbe Ursache: Anleger wollen Aktien von Unternehmen mit einem enormen Gewinnwachstum.

Der Grund

Finanzmärkte bilden stets die aggregierten Cashflowerwartungen der Anleger ab. Nehmen wir Aktien. Jeder Sektor ist anders, aber stets geht es um Gewinne, Gewinne je Aktie, Nettoerträge, freie Cashflows und Ähnliches. Wenn also ein Unternehmen aus einem großen Sektor überdurchschnittlichen Gewinn erzielt, wächst der Indexanteil dieser Aktie überproportional. In den 1950ern und 1960ern war das bei AT&T, General Motors, IBM und anderen Firmen der Fall.

Heute erleben wir das bei Mega Caps aus dem KI-Bereich. Hier liegen die Nettogewinnerwartungen der fünf großen KI-Werte (KI5) deutlich über denen der übrigen S&P-500-Unternehmen (Abbildung 1). 2023 traute man ihnen ein 20-mal so hohes Gewinnwachstum zu. Dieser Vorsprung ist der Hauptgrund für ihren wachsenden Indexanteil.

Die hohe Indexkonzentration und der große Anteil passiver Strategien haben aber auch Auswirkungen auf die anderen 495 S&P-500-Aktien. Die Liquidität wächst schließlich nicht. Jeder Dollar, der aktiv gemanagten Portfolios entzogen und in passive Strategien investiert wird, senkt ihre Eigenkapitalrenditen weiter.

Aber wo ist das Problem?

Fallende Nettogewinnerwartungen der KI5

Die hohe Indexkonzentration endet aber nicht, wenn wieder mehr aktiv investiert wird. Jede Veränderung der Konzentration ist nur ein Symptom. Der Grund dafür sind stets die Gewinnerwartungen.

Wie Abbildung 1 zeigt, haben die Wall-Street-Analysten ihre Nettogewinnerwartungen für die KI5 für 2025 und 2026 deutlich gesenkt. 2023 war ihr Gewinnwachstum noch 20-mal so hoch wie das der übrigen 495 Aktien. Für 2026 wird aber nur noch ein 1,7-mal so hohes Wachstum erwartet. Das ist zwar noch immer ein großer Abstand, und die Nominalgewinne der KI5 sind enorm. Entscheidend für die Aktienkurse ist aber das Verhältnis zwischen dem, was passiert, und dem, was die Kurse abbilden. 

Wenn der Markt neue Informationen verarbeitet und falsche Gewinnerwartungen dadurch korrigiert werden, führt das zu Volatilität. Eines der Risiken für passive Investoren – und alle anderen, die die KI5 übergewichten – ist eine Preiskorrektur aufgrund nachlassender Gewinnschätzungen der Analysten.

Warum die Analysten recht haben könnten

Wenn eine neue Technologie mit breiten Einsatzmöglichkeiten entsteht, ist das Angebot zunächst knapp. Aber die Nachfrage ist hoch. Dieses Ungleichgewicht beschert den Pionieren enorme Gewinne. Das zieht weiteres Kapital an, da andere Unternehmen ebenfalls am Boom verdienen wollen. Auch ihre Aktienkurse steigen. Es kommt zu Rückkopplungseffekten, sodass immer mehr Unternehmen in den Markt drängen.

Der Wettbewerb wird intensiver, das Angebot steigt. Aber es steigt fast immer zu stark und liegt irgendwann über der Nachfrage. Dann kommt es zum gegenteiligen Effekt: Preise und Erträge fallen, die Aktienkurse geben nach. Überproduktion und Preisverfall führen zu einer Konsolidierung. Am Ende sind Angebot und Nachfrage wieder im Gleichgewicht.

Zwar gibt es in den Wirtschaftswissenschaften keine unumstößlichen Naturgesetze, und natürlich ist jeder Konjunkturzyklus anders. Aber so etwas passiert immer wieder. Obwohl wir nicht wissen, wann der KI-Zyklus von der Wachstums- in die Konsolidierungsphase übergeht, glauben wir fest, dass es irgendwann so weit ist. Früher war es ja auch so: Man denke nur an die Internetblase in den späten 1990ern. Oder an den Eisenbahnboom im mittleren und späten 19. Jahrhundert in England und den USA. So war es bei jeder technologischen Revolution der letzten 100 Jahre, vom Auto bis zum Radio, vom Telefon bis zum Computer. 

Softwareentwicklung

In den letzten 30 Jahren haben die Menschen Software gekauft, damit sie ihnen hilft. Jetzt, mit KI, ändert sich die Rolle von Software grundlegend. Sie ist kein Hilfsmittel mehr, sondern führt Aufgaben selbstständig durch. KI-Agenten kombinieren Informationsbeschaffung und Denken, und sie programmieren sich sogar selbst. Das verändert alle Programme und Geschäftsprozesse.

KI ist dabei, SaaS neu zu definieren. Software-as-a-Service war einmal. Heute ist es wohl eher Services-as-a-Software. Wenn große Sprachmodelle zum Standardinput für die Softwareherstellung werden, verbessert KI-basierte Software die Funktionalität vorhandener Programme. Was die Hersteller dafür verlangen können, hängt davon ab, was ihre Kunden mit den Programmen verdienen können.

Software, KI und Technologie generell bieten schier unglaubliche Möglichkeiten. Die Preismacht vieler Softwarehäuser könnte aber massiv fallen. Angesichts des übertrieben hohen Benchmarkanteils von Titeln, denen aufgrund des Kapitalzyklus immer mehr Konkurrenz droht, sollte man Anlagen eigentlich sehr viel stärker streuen – und die Stärken des aktiven Investierens wiederentdecken. 

Fazit

Fonds, aktive wie passive, sind einfach nur Kapitalpools. Sie können kurzfristig Einfluss auf die Assetpreise haben, aber am Ende zählen die Gewinne. Sie – und nicht etwa die Kapitalströme – bestimmen langfristig die Kurse. Als einzelwertorientierte Fundamentalinvestoren analysieren wir, wo Gewinne durch zunehmenden Wettbewerb in Gefahr geraten können und wo eher nicht. Bei stärkerem Wettbewerb dürften Unternehmen die Gewinnerwartungen längst nicht mehr so gut erfüllen können, ob börsennotiert oder nicht. Aktives Portfoliomanagement kann sich dann wieder lohnen.

 

Die hier dargestellten Meinungen sind die des Autors/der Autoren und können sich jederzeit ändern. Sie dienen ausschließlich Informationszwecken und dürfen nicht als Empfehlung zum Kauf von Wertpapieren, Aufforderung oder als Anlageberatung verstanden werden. Prognosen sind keine Garantien. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist keine Garantie für künftige Ergebnisse.

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