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Richtige Antworten, aber falsche Fragen

Rob Almeida meint, dass sich Anleger mehr mit den Fundamentaldaten als mit möglichen Zinssenkungen befassen sollten.

Autor

Robert M. Almeida, Jr.
Portfoliomanager und
Global Investment Strategist

Im Überblick

  • Stellen Anleger die richtigen Fragen? 
  • Zinssenkungen sind kein Allheilmittel für gescheiterte Unternehmen. 
  • Auf die Fundamentaldaten kommt es an. 

Sind das die richtigen Fragen? 

2022 kehrte die Inflation zurück, und das mit Macht. Jetzt ist sie wieder gefallen, ebenso wie ihre manchmal irritierende Volatilität.

Ende April schrieb ich, dass die Inflation über den Markterwartungen lag. Wer Lebensmittel kaufen oder Stromrechnungen bezahlen musste, wusste schon damals länger, dass die Teuerung hoch war.

Auch in den letzten Wochen fielen Inflation und Markterwartungen auseinander, allerdings in entgegengesetzter Richtung. Direkte und indirekte Inflationsindikatoren waren überraschend niedrig. Deshalb ist jetzt wieder von Zinssenkungen die Rede.

Mehr und mehr rechnet man am Markt damit, dass die Fed im September oder wenige Monate später die Zinsen senkt. Ich halte diese Erwartungen nicht für falsch, aber vielleicht gibt es Wichtigeres. Sind „Wann kommt die erste Zinssenkung?“ und „Wie oft wird die Fed 2024 die Zinsen senken?“ wirklich die entscheidenden Fragen? Muss man die Antworten darauf kennen? Wird die 5-Jahres-Performance im Jahr 2028 wirklich davon abhängen, wann die Fed erstmals die Zinsen gesenkt hat?

Bessere Fragen 

Andere Fragen könnten wichtiger sein. Warum muss die Notenbank die Geldpolitik überhaupt lockern? Und vor allem: Wessen Umsätze leiden eigentlich unter niedrigeren Güter- und Dienstleistungspreisen? Fallen bei niedrigeren Preisen auch die Kosten? Was bedeutet das für die Unternehmensgewinne? Und ist all das in den Aktienkursen bereits berücksichtigt?

In aller Unschuld bewertet der Markt risikoreiche Titel jetzt höher, weil der Diskontfaktor fallen könnte. Dabei wird aber übersehen, was die zunehmende Konjunkturschwäche für die Fundamentaldaten der Unternehmen bedeutet. Sie bestimmen die Kurse.

Sehen wir uns einmal den Zinssenkungszyklus nach dem Ende des Technologiebooms in den späten 1990ern an. 

Anfang 2001 erreichte die Federal Funds Rate mit 6% ihren Höchststand. Überrascht vom starken Wachstumseinbruch hat die Fed die Zinsen in den folgenden 18 Monaten massiv gesenkt, bis auf 1%. Der Aktienmarkt hatte seinen Tiefpunkt schon vor der vorletzten Zinssenkung überwunden; die Gewinne hatten ihren Tiefststand bereits erreicht und stiegen wegen der jetzt deutlich niedrigeren Kosten bereits wieder. Und doch fiel der S&P 500 Index um fast 40%. 

Man könnte einwenden, dass die Bewertungen heute nicht so übertrieben sind wie damals. Das stimmt, und deshalb rechne ich auch nicht mit einem so starken Kurseinbruch. Man sieht aber, dass Leitzinssenkungen kein kurzfristiges Allheilmittel sind, wenn die operativen Gewinne enttäuschen. Die Bewertungen sind heute nicht so extrem wie in den 1990ern, als sie in den USA so hoch waren wie nie zuvor und auch nie wieder danach. Die Analysten rechnen aber mit einem hohen einstelligen Gewinnwachstum. Alles, was darunter liegt, wird die Anleger enttäuschen. Und sie haben durchaus Alternativen zu Aktien.

Interessant ist auch, was während des Zinssenkungszyklus Mitte der 2000er Jahre geschah, als die Immobilienmarktblase platzte. Zu Beginn der damaligen Rezession waren Aktien keineswegs teuer. 

Wie die folgende Abbildung zeigt, erreichte die Federal Funds Rate Anfang 2008 mit 4,25% ihren Höchststand und fiel dann noch vor dem Jahresende auf 0%. Zugleich hat sich der S&P 500 fast halbiert. 

Was wirklich zählt 

Seit 2022 sind Inflation und Geldpolitik die alles beherrschenden Themen. Vielleicht sind sie es auch schon länger, seit Beginn der Nullzinspolitik und des Quantitative Easings, das Kreditkosten auf ein 5.000-Jahres-Tief fallen ließ.

Der Rezenzeffekt (d.h. die Tendenz, die jüngsten Entwicklungen überzubewerten) und andere kognitive Verzerrungen können gefährlich sein. Manchmal können solche Denkfehler das wirklich Wichtige verdrängen oder zumindest verwässern. Und das sind beim Investieren zwei Dinge: Fundamentaldaten und künftige Cashflows.

Die richtigen Antworten auf die richtigen Fragen beziehen sich meiner Meinung nach auf den Endwert einer Anlage. Was genau macht ein Unternehmen? Wie reagiert es auf steigende Arbeitskosten, wenn die Güterpreise fallen? KI kann Effizienzgewinne und Einsparungen ermöglichen, aber könnte die Künstliche Intelligenz nicht auch neuen Wettbewerbern die Tür öffnen, die schon bald genauso gute oder gar bessere Produkte an den Markt bringen? Werden manche Geschäftsmodelle durch KI obsolet? Wie viele Schulden müssen Unternehmen in den nächsten Jahren refinanzieren und zu welchen Zinsen? Und ist das in den Modellen der Aktienanalysten berücksichtigt?

Ich glaube, dass schon bald wieder die Fundamentaldaten die Kurse bestimmen werden – und nicht etwa die Diskontfaktoren oder irgendwelche Entscheidungen der Geldpolitik. Wenn ein Unternehmen gescheitert ist, sind die Notenbanken machtlos. 

 

„Standard & Poor’s®“ und „S&P®“ sind eingetragene Handelsmarken von Standard & Poor’s Financial Services LLC (S&P); Dow Jones ist eine eingetragene Handelsmarke von Dow Jones Trademark Holdings LLC (Dow Jones). S&P Dow Jones Indices LLC hat ihre Nutzung genehmigt, und MFS darf sie zu bestimmten Zwecken nutzen. Der S&P 500® ist ein Produkt von S&P Dow Jones Indices LLC. Das Unternehmen hat MFS die Nutzung des Index genehmigt. Die Produkte von MFS werden von S&P Dow Jones Indices LLC, Dow Jones, S&P oder ihren Tochterunternehmen nicht gefördert, angeboten, vertrieben oder be-worben. Weder S&P Dow Jones Indices LLC noch Dow Jones, S&P oder ihre Tochterunternehmen treffen eine Aussage darüber, ob diese Produkte empfehlenswert sind.

Der S&P 500 Index bildet den US-Aktienmarkt umfassend ab. Man kann nicht direkt in einen Index investieren.

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