Im Überblick
- Investieren ist einfach und schwierig zugleich.
- Wer zahlt? Der Verbraucher oder der Hersteller?
- Unternehmen mit wenig Wettbewerbsdruck sind besser geschützt.
Höhere Margen durch billige Produktion in fernen Ländern waren eine große Verlockung für die Industrie – und der Grund für die jahrzehntelange Globalisierung. Ein riesiges, extrem integriertes Lieferkettennetz entstand. Wie komplex es ist, erkennen die Marktteilnehmer meiner Meinung nach erst jetzt.
Nehmen wir als Beispiel eine einfache Jeans. Manche US-Hersteller beziehen die Baumwolle vor Ort, die meisten aber aus China, Indien und Pakistan. Für teurere Hosen kommt sie oft aus Simbabwe, der Türkei und Ägypten. Gefärbt wird häufig in China und Deutschland, Japan liefert Reißverschlüsse. Und das ist noch längst nicht alles. Aber zumindest haben Sie schon einmal einen ersten Eindruck.
Investieren ist einfach und schwierig zugleich
Einerseits ist Investieren sehr einfach, andererseits aber auch sehr kompliziert. Einfach ist es, weil sowohl der Aktienkurs als auch dessen Volatilität von den Cashflowerwartungen abhängen. Schwierig ist es, weil wir die Zukunft nicht kennen und sich die Gewinn-erwartungen immer wieder ändern – bei neuen Informationen bisweilen auch radikal.
In den letzten Wochen kamen dann auch Zweifel an den bisherigen Gewinnerwartungen auf, und die Volatilität nahm zu – wegen Trumps Zollplänen, der zunehmenden politischen Unsicherheit und des wachsenden Bewusstseins für die Komplexität der weltweiten Lieferketten.
Lässt sich dafür ein einfaches Modell konstruieren?
Wer zahlt? Der Verbraucher oder der Hersteller?
Tariff, das englische Wort für Zoll, stammt aus dem Arabischen. Ursprünglich bedeutete es „Bekanntmachung“. Schon im Mittelalter wurden Zölle so bezeichnet. Man kann sie sich als Steuer oder Gebühr vorstellen.
Investoren und Marktbeobachter sind sich über die wirtschaftlichen Folgen von Zöllen uneins. Wichtiger sind für sie aber ohnehin die finanziellen Auswirkungen. Irgendwer muss die neue Steuer schließlich bezahlen. Da die Aktienkurse von den Unternehmensgewinnen abhängen, ist für Investoren eigentlich nur eines spannend: Zahlt der Verbraucher – oder der Hersteller?
Wer Güter mit einer wenig preiselastischen Nachfrage produziert, kann Kosten an seine Kunden weitergeben. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn es nur wenige Substitutionsprodukte gibt und das eigene Produkt besonders hochwertig ist. Dann droht wenig Wettbewerb, und der Hersteller kann den Zoll an seine Kunden weitergeben. Der Verbraucher trägt also die Last. Die Inflation steigt, und das Wirtschaftswachstum lässt nach, weil die Verbraucher dann weniger Geld für andere Dinge haben.
Ist ein Gut hingegen sehr preiselastisch, weil es Substitutionsprodukte gibt, muss der Hersteller die Last tragen. Seine Marge schrumpft.
Mehr und mehr geht man an den Märkten davon aus, dass Zölle die Unternehmensgewinne dämpfen. Aber es muss nicht immer so sein. Meiner Meinung nach wird es beides geben: Die Verbraucher tragen die Zölle auf Güter, auf die sie nicht verzichten können – und Hersteller von leicht substituierbaren Produkten werden mit schwachen Gewinnen enttäuschen.
Und was bedeutet das für die Portfoliokonstruktion?
Unternehmen mit wenig Wettbewerbsdruck sind besser geschützt
Wir leben in einer Marktwirtschaft. Unternehmer streben nach Ertrag, auch zulasten der Konkurrenz. Wer sich dem erwehren kann, muss über besondere Wettbewerbsvorteile verfügen; die Markteintrittsschranken müssen also hoch sein. Dann hält sich der Wettbewerb in Grenzen, und die Gewinnmargen sind nicht gefährdet. Die Hersteller von Instrumenten und Geräten für den Lifesciences-Sektor schienen uns dafür ein gutes Beispiel zu sein.
Schon lange sind diese Unternehmen die erfolgreichsten des Gesundheitssektors. Sie bieten Instrumente, Verbrauchsmaterialien sowie andere Produkte und Dienstleistungen für Pharma- und Biotechnologieunternehmen, Krankenhäuser, Labore, Forschungsinstitute und den Staat. Ob messen, trennen, reinigen, quantifizieren oder diagnostizieren – stets sind ihre speziellen Geräte nötig. Das gilt für die Medikamentenherstellung ebenso wie für klinische Studien, Biomanufacturing und vieles andere.
Im Grunde haben die Anbieter ähnliche Geschäftsmodelle wie die Hersteller von Rasierapparaten. Man verkauft ein Gerät mit fünf bis zehn Jahren Lebensdauer, das regelmäßig Verbrauchsmaterial und Wartung benötigt. Der Produktzyklus ist lang, weil neue Therapien oder Medikamente meist erst nach vielen Jahren marktfähig sind. Die Kunden, die großen Wert auf Qualität legen, sind durchaus bereit, für Qualität und Verlässlichkeit etwas mehr zu zahlen – zumal die Ausgaben verglichen mit anderen Kostenblöcken ohnehin nicht allzu hoch sind.
Natürlich haben wir es hier mit komplexen internationalen Lieferketten zu tun, und natürlich werden die Kosten bei einem Zollkrieg steigen. Da es ohne ihre Produkte nicht geht und die Kunden ihnen sehr vertrauen, könnten diese Hersteller im Gegensatz zu anderen Branchen vor Substitutionsrisiken geschützt sein.
Ähnlich ist es bei Elektrotechnikunternehmen, die KI-Infrastrukturanbieter, Energie- und Strom-netzbetreiber, Elektrofahrzeughersteller und andere Wachstumsbranchen beliefern. Das Risiko bei einer Substitution durch eine billigere Alternative, um wenige Dollar zu sparen, ist es oft nicht wert, eine langfristige und etablierte Geschäftsbeziehung aufs Spiel zu setzen.
Fazit
Wir wissen nicht, was Sokrates genau über das Wissen gesagt hat. Ich zitiere ihn immer gerne mit „Ich weiß, dass ich nichts weiß, und selbst da bin ich mir nicht sicher“. Auch bei genauer Kenntnis der Zollsätze lassen sich die wirtschaftlichen Folgen wegen der komplexen Lieferketten nur schwer abschätzen – wenn überhaupt. Ich glaube, dass Sokrates es auch so gesehen hätte. Falls ja, schließe ich mich ihm an.
Viel wichtiger scheint mir, welche Unternehmen die Zölle tragen können und welche nicht. Davon hängt schließlich die Aktienkursentwicklung ab. Werden wir als Treuhänder nicht für genau diese Überlegungen bezahlt? Ich glaube, dass die aktuelle Lage zu einem Paradigmenwechsel führt, und dass aktiv gemanagte Portfolios mit einem fundamentalen Investmentansatz wieder mehr wertgeschätzt werden.
Die hier dargestellten Meinungen sind die des Autors/der Autoren und können sich jederzeit ändern. Sie dienen ausschließlich Informationszwecken und dürfen nicht als Empfehlung zum Kauf von Wertpapieren, Aufforderung oder als Anlageberatung verstanden werden. Prognosen sind keine Garantien. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist keine Garantie für künftige Ergebnisse.