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Anleihen im Blickpunkt Extremrisiken analysieren: Was wäre, wenn … im Jahr des Drachen

Lesen Sie, wie Pilar Gomez-Bravo, Co-CIO of Fixed Income, die Positionierung unserer internationalen Anleihenstrategien angesichts der aktuellen Extremrisiken einschätzt.

Autorin

Pilar Gomez-Bravo, CFA
Co-CIO, Fixed Income  

Im Überblick

  • Wahlen, Kriege und Wirtschaftspolitik machen dieses Jahr nicht einfach. 
  • Für die Märkte könnte unverändertes Wirtschaftswachstum schlechter sein als eine weiche Landung. 
  • Ein rascher Schulden- und Risikoabbau, so schwer sich seine Folgen auch abschätzen lassen, würde Credits und risikobehafteten Wertpapieren insgesamt massiv schaden.

Es heißt, das Jahr des Drachen bringe Glück, und 2024 hat zweifellos gut begonnen. Nach der soliden Performance 2023 rechnet man jetzt mit einer weichen Landung der Konjunktur in den USA und anderen Ländern. Wer in risikobehaftete Wertpapiere investiert, ist jedenfalls fest davon überzeugt. Und doch sehen wir drei Extremrisiken, die eine weiche Landung verhindern könnten. Lesen Sie, wie wir unsere internationalen Anleihenstrategien deshalb positionieren. 

Extremrisiko 1: Weltpolitik

Die Weltpolitik ist eigentlich immer ein Risikofaktor, aber die vielen Wahlen, die andauernden Kriege und die sich ändernde Wirtschaftspolitik machen 2024 zu einer besonderen Herausforderung.

Gegen Jahresende werden sicherlich die amerikanischen Präsidentschaftswahlen im Mittelpunkt stehen. Wer auch immer gewinnt – die Auswirkungen auf Wertpapierrisiken, Welthandel und Fiskalpolitik werden umfassend sein. Bei einem Sieg von Trump dürfte der US-Dollar in den Blickpunkt geraten, vor allem, wenn Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit und den staatlichen Institutionen aufkommen. Manche Sektoren und Assetklassen könnten unter einem solchen Wahlausgang stark leiden, insbesondere Emerging-MarketTitel.

Wir werden auch die amerikanische Fiskalpolitik genau beobachten. Meist lockert der Amtsinhaber sie, wenn Wahlen bevorstehen. Aber das Haushaltsdefizit ist schon jetzt sehr hoch, sodass wir hier keine großen Änderungen mehr erwarten. Unabhängig vom Wahlausgang dürfte es kaum fallen, auch wenn die Fiskalpolitik sehr verschieden sein kann: Ein demokratischer Präsident würde vermutlich weiter auf hohe Ausgaben setzen, ein republikanischer die Steuern senken. Daher bleibt die Nachhaltigkeit der amerikanischen Staatsschulden – und damit auch die Entwicklung der Laufzeitprämien – ein wichtiges Thema. Unterdessen wird in Europa im Juni ein neues Europäisches Parlament gewählt, und auch die EU-Kommission wird neu bestimmt. Das könnte ebenfalls Auswirkungen auf die Fiskalpolitik haben und zu politischen Auseinandersetzungen führen, wiederum mit Folgen für die Wechselkurse und (europäische) Anleihen.

Aber das ist nicht alles. Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten lenken den Blick erneut auf Energie und Rohstoffe. Heute ist Europa besser auf Energieknappheit vorbereitet als unmittelbar nach dem russischen Einmarsch. Dennoch könnten die Energiemärkte auch jetzt heftig reagieren, vor allem, wenn die Auseinandersetzungen im Nahen Osten eskalieren. Schon jetzt zeigen sich Auswirkungen auf Lieferketten und Rohstoffpreise. Anleger müssen daher unbedingt wissen, was steigende Ölpreise für ihre Portfolios bedeuten. Weil man Extremrisiken nicht ignorieren darf, muss man auch eine weitere mögliche Eskalation der Spannungen in anderen Konfliktregionen berücksichtigen, etwa in Nordkorea und Taiwan.

Schließlich hat auch die Wirtschaftspolitik in China und Japan weltweite Auswirkungen, allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Wir fürchten, dass China seine Deflation exportieren könnte, wenn die derzeitigen Konjunkturprogramme nicht für genügend Wachstum sorgen. Das würden vor allem Deutschland und die Emerging Markets zu spüren bekommen, da sie viel nach China exportieren. In Japan wäre das Extremrisiko ein ungeordneter Abschied von der Negativzinspolitik. Eine starke und drastische Yen-Aufwertung könnte japanische Anleger veranlassen, sich von ausländischen Anlagen zu trennen. Der so rentable Carry Trade der letzten Jahre könnte dann enden. Wenn dann an den großen Staatsanleihenmärkten die Langfristrenditen steigen, könnten die Zinsstrukturkurven steiler werden.

Extremrisiko 2: Welche Landung?

Eine harte Landung ist unwahrscheinlicher geworden, aber das Extremrisiko, dass eine Landung der US-Konjunktur gänzlich ausbleibt, wird immer relevanter. „Keine Landung“ könnte weitreichende Folgen haben, vor allem eine höhere Inflation. Eine Stagflation ist das Schlechteste, was Aktienund Anleiheninvestoren passieren kann, aber eine unveränderte Konjunktur wäre ebenfalls nicht folgenlos. Das BIP würde dann weiterhin stärker wachsen als das Potenzial, und die Inflation dürfte wieder steigen. Wenn dieses Extremrisiko Realität wird, wären mögliche Zinssenkungen nur von kurzer Dauer – eine schwierige Situation für Notenbanken und Investoren. Wir glauben, dass „keine Landung“ allen Assetklassen schadet, weil die höhere Inflation wohl eine massive Reaktion der Fed auslöst. So unwahrscheinlich diese Entwicklung ist, so groß wären die Folgen. Daher sollte man diese Möglichkeit bedenken. 

Extremrisiko 3: Schulden- und Risikoabbau

Unser drittes und letztes Extremrisiko lässt sich schwerer messen. Es existiert, weil zurzeit manche Positionen überkauft sind. Die meisten Anleger rechnen mit einer weichen Landung und haben ihre Portfolios entsprechend positioniert. Wegen der höheren Zinsen ist Fremdkapital aber nicht mehr kostenlos. Wir müssen daher systemische Risiken durch Geschäftsmodelle betrachten, die viel Fremdkapital erfordern. Auch wenn die Eigenkapitalquoten von Banken heute besser sind als früher, vor allem in Europa, halten wir das Scheitern einer weiteren Bank für möglich, ausgelöst vermutlich durch zu viele Gewerbeimmobilienkredite. Auch Hedgefonds sorgen für Extremrisiken. Wenn Fremdkapital teuer ist, funktionieren manche ihrer Geschäftsmodelle vielleicht nicht mehr. Ebenfalls nicht frei von Risiken ist Private Credit (wenn Verluste realisiert werden müssen), doch sind sie wegen des geringen Marktvolumens nicht wirklich systemisch. Der Anleihenmarkt ist sehr viel größer, und ein genereller Abbau fremdfinanzierter Wertpapierpositionen hätte sehr viel weitreichendere Folgen.

Angesichts unseres dritten Extremrisikos dürfen Investoren nicht zu spät reagieren. Man muss genau auf die Bewertungen achten. Es ist besser, Liquidität zu investieren, statt zu versuchen, an einem illiquiden Markt aus überkauften Positionen auszusteigen. Man muss sorgfältig handeln, diversifizieren und auf die Einzelwertauswahl achten. Das ist in einem so unsicheren Umfeld wie jetzt besonders wichtig.

Extremrisiken steuern: Portfoliopositionierung und Markteinschätzungen

Es wird Gewinner geben, aber auch Verlierer. Wegen der anhaltenden Unsicherheit setzen wir auf Portfoliodiversifikation und -liquidität. Wir wollen Verzerrungen nutzen und Risikoprämien vereinnahmen, durch Einzelwertauswahl und fundierte Einschätzungen von Zinsen und Währungen. 

Zinsen und Duration 

Nach der Jahresendrallye haben wir unsere Duration wegen der anhaltend guten US-Konjunkturdaten seit Jahresbeginn stark verkürzt.

Interessant scheinen uns Regionen, in denen Konjunktur und Inflation eher für Zinssenkungen sprechen. So sind Europa und manche Emerging Markets wegen günstiger Bewertungen und der Aussicht auf Zinssenkungen noch immer interessant. Außerdem könnte es sich für dollarbasierte Investoren lohnen, außerhalb der USA zu investieren und sich dann in US-Dollar abzusichern.

Außerdem glauben wir, dass eine aktive Laufzeitenallokation wichtiger geworden ist. Ob harte oder weiche Landung – die Zinsstrukturkurven dürften irgendwann steiler werden. Wir wollen daher Positionen eingehen, die von einer Versteilung profitieren, vor allem in den USA. Dann können wir die Duration verlängern, wenn die Renditen wieder deutlich gestiegen sind.

Währungen

Wir haben die Gewichtung des US-Dollar verringert, sind wegen der anhaltenden Unsicherheit aber noch immer übergewichtet. Wegen der wirtschaftlichen und weltpolitischen Risiken könnte die Risikobereitschaft der Anleger phasenweise noch immer deutlich nachlassen.

Spreads

Wegen des möglichen Schulden- und Risikoabbaus bleibt die Einzelwertauswahl bei Credits wichtig. Wir achten deshalb genau auf die Vorschläge unserer Analysten und setzen auf Positionen, die uns wirklich überzeugen.

Im High-Yield-Bereich halten wir eine kürzere Duration sowie Titel mit höheren Renditen für interessant. Ziel sind höhere Gesamterträge je Risikoeinheit, zumal unsere derzeitige High-YieldQuote aufgrund der insgesamt engen Spreads im Vergangenheitsvergleich eher niedrig ist.

Im Investmentgrade-Bereich haben wir unsere Position in den USA nach den starken Kursgewinnen seit Jahresbeginn verringert. Wegen der starken US-Wirtschaft sind amerikanische InvestmentgradeTitel fundamental noch immer attraktiv, doch hat die Finanzkraft der Emittenten nachgelassen, und die Spreads sind insgesamt eng. Zwar müssen sie nicht unbedingt steigen, doch halten wir aufgrund der Bewertungen europäische Titel nach wie vor für interessanter.

In den Emerging Markets bevorzugen wir weiterhin Crossover-Titel. Hier entstehen Einzelwert-chancen durch Risikoprämien, ohne dass man in großem Umfang in Fremdwährungsanleihen investieren muss.

Verbriefungen scheinen uns insgesamt überkauft, vor allem Hypothekenverbriefungen. Noch halten wir am Verbriefungsmarkt einzelne Positionen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Titeln, die für Banken interessant sein können, wenn sie wieder einsteigen wollen. Das sorgt für einen gewissen Ausgleich, falls die Markttechnik von Hypothekenanleihen schwach bleibt.    

 

 

 

Anlagen in Schuldtitel können an Wert verlieren, wenn sich die (tatsächliche oder wahrgenommene) Kreditqualität des Emittenten, Schuldners, Kontrahenten bzw. anderer zahlungsverantwortlicher Personen/Unternehmen oder der zugrunde liegenden Sicherheiten verschlechtert. Wertverluste sind auch bei einer Veränderung der Konjunktur, des politischen Umfelds sowie aus emittentenspezifischen oder anderen Gründen möglich. Bestimmte Anleihenarten können auf diese Faktoren stärker reagieren und sind dadurch volatiler. Hinzu kommen Zinsrisiken (steigen die Zinsen, verlieren Festzinstitel üblicherweise an Wert). Deshalb können die Anteilspreise des Fonds bei steigenden Zinsen fallen, da sich der Wert der Portfoliopositionen an die steigenden Zinsen anpasst. 

Die hier dargestellten Meinungen sind die des Autors/der Autoren und können sich jederzeit ändern. Sie dienen ausschließlich Informationszwecken und dürfen nicht als Empfehlung zum Kauf von Wertpapieren, Aufforderung oder als Anlageberatung verstanden werden. Prognosen sind keine Garantien. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist keine Garantie für künftige Ergebnisse.

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