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Aktienthemen des Monats – Mai 2024

Wir analysieren Trends und Entwicklungen an den Aktienmärkten weltweit.

Autor

Ross Cartwright
Lead Strategist, Investment Solutions Group

 

 

Im Überblick

  • Reflation und Reformen hauchen japanischen Aktien neues Leben ein.
  • Europa ist billig. Na und?

Reflation und Reformen hauchen japanischen Aktien neues Leben ein

Japanische Aktien legen seit dem 1. Quartal 2023 kontinuierlich zu. Dafür gibt es zwei Gründe: die Reflation der japanischen Wirtschaft und die beschleunigten Strukturreformen. Die neue Geld- und Fiskalpolitik sorgt nach wie vor für Wachstum und eine höhere Wirtschaftsleistung, und dank der Börsenreformen achten Unternehmen jetzt mehr auf ihre Rentabilität und den Shareholder Value.

Die Reflationsphase des Konjunkturzyklus ist gut für Aktien
Das Wachstum nimmt zu, und die japanische Wirtschaft befindet sich im Aufschwung. Die Bank of Japan hat ihr achtjähriges Negativzinsexperiment beendet, den Leitzins von -10 bis 0 Basispunkten auf 0 bis 10 Basispunkte angehoben und das Versprechen einer nahezu waagerechten Zinsstrukturkurve kassiert. Dennoch dürften die Zinsen auch weiterhin deutlich unter dem nominalen Wirtschaftswachstum liegen und damit die Konjunktur stützen. Auch in Japan hat die Inflation nach Corona zugelegt. Die jüngsten Tarifvereinbarungen führten zu Lohnerhöhungen von 5,3% für Angestellte, was es letztmals in den frühen 1990ern gab.1 Die steigenden Reallöhne werden den japanischen Konsum vermutlich fördern.

Höhere Aktionärserträge durch Reformen
Japanische Unternehmen werden zunehmend aktionärsfreundlicher. Die Tokioter Börse treibt die Governancereformen voran. Sie sorgt für einen effizienteren Kapitaleinsatz, indem sie Kurs-Buchwert-Verhältnisse unter 1 bestraft und börsennotierte Unternehmen zu einer höheren Rentabilität zwingt. Für weitere Fortschritte sorgen die Abschaffung von Überkreuzbeteiligungen und die Ernennung von mehr unabhängigen und weiblichen Boardmitgliedern. Immer häufiger führen die Boards konstruktive Gespräche mit Investoren und sorgen so für mehr Transparenz.

Die Buchwerte japanischer Unternehmen sind recht niedrig. Die Eigenkapitalrenditen sind ebenfalls niedriger als im Westen, und die Kassequoten sind im Schnitt etwa doppelt so hoch wie in den USA.2 Die Maßnahmen der Börse haben auch höhere Dividenden und mehr Aktienrückkäufe zur Folge. Außerdem legen die Unternehmen jetzt Pläne zur Steigerung des Kurs-Buchwert-Verhältnisses und der Eigenkapitalrentabilität vor. Nicht alle Unternehmen ändern sich gleich schnell, aber oft sorgt auch der schwache Yen für eine höhere Rentabilität. Die langfristige Entwicklung bleibt günstig, aber manche Titel sind teuer geworden. Daher muss man in Japan besonders wählerisch sein.

Europa ist billig. Na und?

Europäische Aktien sind billig, vor allem im Vergleich zu US-Titeln. Aber vielleicht sind sie noch nicht billig genug. Dennoch ist es wahrscheinlicher geworden, dass die Bewertungsaufschläge amerikanischer Titel fallen oder zumindest nicht weiter steigen, vor allem, wenn sich die europäische Wirtschaft nach den zuletzt erfreulichen Zahlen weiter erholt.

Die Bewertungsabschläge europäischer Aktien gegenüber US-Titeln sind heute so hoch wie selten. Aber reicht das? Auch sektorbereinigt ist Europa billig. Ist das gerechtfertigt? Und was müsste passieren, damit sich das ändert? Oder ist ohnehin damit zu rechnen, dass die amerikanischen Bewertungsaufschläge unverändert bleiben oder fallen?

Ende April war der S&P 500 auf Basis der erwarteten 12-Monats-Gewinne um 53% höher bewertet als der MSCI Europe. Das ist mehr als das Doppelte des 20-Jahres-Durchschnitts von 21%. Aber der Durchschnitt ist nicht alles – man denke an den 1,80 m großen Mann, der beim Überqueren eines Flusses ertrank, der im Schnitt nur 1,50 m tief war. Auf Sektorebene sieht es aber kaum anders aus: Alle europäischen Sektoren sind günstiger bewertet als ihre amerikanischen Pendants, und selbst ohne die Magnificent Seven beträgt der amerikanische Bewertungsaufschlag noch immer etwa 30% und damit ebenfalls mehr als der 20-Jahres-Durchschnitt. Wie heißt es so schön? Die Geschichte ist dazu da, dass man aus ihr lernt. Sich allein auf Mean Reversion zu verlassen, ist naiv. Was wollen uns die Märkte also sagen?

Der langfristige Bewertungsaufschlag sagt uns tatsächlich, dass amerikanische Unternehmen strukturell im Vorteil sind. Die USA sind stärker gewachsen, und die Wachstumsaussichten sind nach wie vor besser. Ja, aus diesen und anderen strukturellen Gründen ist ein Aufschlag gerechtfertigt. Aber wie hoch soll er sein? 53% halten wir schon für recht extrem.3 Beim Investieren geht es darum, Risiken einzugehen, für die man belohnt wird. Ein weiterer starker Anstieg der amerikanischen Bewertungsaufschläge scheint nicht zu erwarten, aber fallen müssen sie auch nicht. Sie müssen einfach nur auf dem derzeitigen Niveau bleiben, damit sich Aktien beiderseits des Atlantiks ähnlich entwickeln.

Aufgrund der Benchmarkstruktur ist der Anteil von Substanzwerten in Europa höher, und wer in Europa investiert, setzt natürlich auf ein steigendes Welt-BIP. Ein gesamteuropäisches Portfolio reagiert nur wenig auf die europäische Inlandskonjunktur. Im Gegenteil: Handtaschen von LVMH werden weltweit geschätzt. Die Adipositas-Medikamente von Novo Nordisk lösen ein globales Problem. ASML ist wichtig für den wachsenden internationalen Halbleitersektor. Und dann ist da noch Diageo mit Marken wie Guinness, Johnnie Walker, Casamigos, Tanqueray, Bulleit, Seedlip und vielen anderen.

Da sich die Erdgaspreise wieder auf einem akzeptableren Niveau eingependelt haben und die Reallöhne in ganz Europa wieder steigen, zeichnet sich aber auch eine Erholung der europäischen Binnenwirtschaft ab. Wenn die Wachstumsdifferenz gegenüber den USA nachlässt, könnte der Bewertungsaufschlag amerikanischer Titel fallen, während europäische Aktien überdurchschnittlich zulegen. Niemand sagt, dass europäische Aktien teuer seien oder dass wir es mit einer Preisblase zu tun hätten. Außerdem verbessern sich in Deutschland Wirtschaftslage und Geschäftsklima, und die Marktbreite bleibt hoch.

Anleger sollten sich überlegen, ob sie für die erwarteten Gewinne amerikanischer Unternehmen wirklich 50% mehr zahlen wollen. Wenn Märkte und Einzelwerte steigen, dann aufgrund spannender Geschichten, die oft mehr als ein Körnchen Wahrheit enthalten. Wenn sie aber fallen, hat das meist mit den Fundamentaldaten zu tun. Alles in allem glauben wir, dass ein konstanter oder fallender Bewertungsaufschlag von US-Titeln in den nächsten Jahren wahrscheinlicher ist als ein weiterer Anstieg. Man erzielt keinen Mehrertrag, wenn man sich auf das konzentriert, was der Markt schon weiß und die Kurse bereits abbilden. Man verdient, wenn man sich gegen den Konsens stellt. Das ist manchmal ungemütlich und erfordert einen langen Atem, vor allem, wenn man sich an den Bewertungen orientiert.

Mir kommt all das wie ein Déjà-vu vor. Fast 13 Jahre lang, von den späten 1990ern bis zu den frühen 2010ern, lagen australische Aktien (in Landeswährung) vor internationalen Titeln. Australische Anleger ließen sich kaum dazu bewegen, ihren starken Home Bias aufzugeben. Heute ist das anders, und seit den frühen 2010ern fahren sie mit internationalen Aktien wesentlich besser. Aber diese Erkenntnis kam ihnen erst, nachdem australische Aktien jahrelang hinten gelegen hatten.

 

Anmerkungen

1 Reuters: Japan union group announces biggest wage hikes in 33 years, presaging shift at central bank, 15. März 2024.
2 FactSet Portfolio Analysis.
3 FactSet.

 

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