decorative
decorative

Sind dauerhaft höhere Zinsen schlecht für Emerging-Market-Anleihen?

Wir analysieren, was dauerhaft höhere Zinsen für Anlagen in Emerging-Market-Staatsanleihen bedeuten können.

Autor

Zachary Knope, CFA
Lead Research Analyst Investment Solutions Group

Im Überblick

  • Wir analysieren die möglichen Auswirkungen höherer Zinsen auf Emerging-Market-Staatsanleihen. 
  • Die Zinserhöhungen der Fed scheinen zu Ende, und am Markt erwartet man niedrigere Leitzinsen noch in diesem Jahr. Wegen der anhaltenden Inflation, der weiterhin starken USWirtschaft, der hohen Arbeitskräftenachfrage und der Produktivitätsentwicklung spricht aber immer mehr dafür, dass die US-Leitzinsen auch in Zukunft höher sein werden als zwischen der internationalen Finanzkrise und Corona. 
  • Emerging-Market-Anleihen eignen sich gut für langfristige Investoren mit einer hohen Risikobereitschaft. Gute Fundamentaldaten, die aktuellen Renditen und das Durationsprofil sprechen für die Assetklasse. Dennoch sollte man wählerisch sein und genau auf Länder und Emittenten achten – auch weil die Zinsen heute höher sind als im letzten Jahrzehnt.

Nach den kräftigen Zinserhöhungen auf die höchsten Werte seit mehreren Jahrzehnten fällt die Inflation, ohne dass die Arbeitslosigkeit weltweit steigt. Immer mehr spricht also für die erhoffte weiche Landung der Konjunktur. Das macht es wahrscheinlicher, dass der amerikanische Leitzins auf Dauer höher sein wird als nach der internationalen Finanzkrise. Aber was bedeutet das für EmergingMarket-Anleihen?

Weil sie eine noch recht junge Assetklasse sind, bietet die Geschichte kaum Vergleichsmöglichkeiten. Während der weichen Landung in der zweiten Hälfte der Neunziger lag die Federal Funds Rate zwischen 4,75% und 6,50%, bevor sie nach dem Platzen der Technologieblase ab 2001 kräftig gesenkt wurde.

Die 1990er waren für Emerging-Market-Anleihen nicht einfach. Es war eine volatile Zeit mit Zahlungsausfällen und Währungskrisen. Damals waren die Rahmenbedingungen ganz anders als heute. Feste Wechselkurse machten die Emerging Markets angreifbar, da sie den freien Kapitalverkehr behinderten. Heute sind flexible Wechselkurse die Regel, und viele Emerging Markets sind dank politischer, institutioneller und fiskalischer Reformen erkennbar gereift. Die bessere Verfügbarkeit von Kapital stärkt das Wachstum.

Allerdings bleiben die jetzt höheren Zinsen nicht ohne Folgen für Anleger, die sich für EmergingMarket-Anleihen interessieren. Nötig ist ein aktiver Ansatz mit einer sorgfältigen Länder- und Emittentenauswahl. Im Folgenden analysieren wir einige Faktoren, die jetzt wichtig werden.

Fundamentaldaten im Fokus

Für Emittenten ist die wichtigste Konsequenz höherer Zinsen der teurere Schuldendienst. Es fällt ihnen daher schwerer, sich Geld zu leihen und Anleihen zu bedienen. Wenn den Emerging Markets deshalb weniger Kapital zur Verfügung steht, kann das den Produktivitätsanstieg und damit das Wirtschaftswachstum bremsen. Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung ist die Folge. Wie Abbildung 1 zeigt, ist die durchschnittliche Emerging-Market-Rendite von ihrem Vor-CoronaDurchschnitt von 5,6% auf 8,5% nach der Pandemie gestiegen.

Trotz des raschen Renditeanstiegs dürften viele Emerging Markets aber keine Haushaltsprobleme bekommen – wegen der Struktur ihrer Staatsschulden und der finanziellen Fortschritte: Viele Parameter wie Fälligkeitenstruktur, Anteil der Auslandsschulden, Höhe der Währungsreserven und Haushaltssaldo haben sich verbessert und sind heute sehr gut.

Die Auswirkungen steigender Zinsen hängen von der Fälligkeitenstruktur ab. Vermutlich werden die meisten Emittenten daher erst einmal keine Probleme haben. Es wird dauern, bis die niedrig verzinslichen Anleihen endfällig sind und durch Papiere mit den heute üblichen höheren Zinsen ersetzt werden. Die Kapitalkosten steigen also nur langsam. Abbildung 2 zeigt, dass ein Großteil der derzeitigen Staatsanleihen im letzten Jahrzehnt begeben wurde, also in einer Niedrigzinsphase. Die Emittenten bekommen die höheren Zinsen also erst später wirklich zu spüren.

Auch die Auslandsschulden der Emerging Markets sprechen dafür, dass die höheren Kreditkosten handhabbar sind. Auslandsschulden sind die Verbindlichkeiten gegenüber Anlegern, die nicht im Land selbst ansässig sind. Zweierlei fällt auf: Erstens sind vor allem die Auslandsschulden privater Emittenten gestiegen, während die Auslandsschulden des Staates vergleichsweise niedrig blieben. Zweitens ist der Quotient aus Auslandsschulden und BIP seit Corona gefallen. Die höhere Inflation hat die Exportpreise steigen lassen, sodass das nominale Wirtschaftswachstum ebenfalls zulegte1 und das nominale BIP stärker wuchs als die Schulden. Vor allem die Schuldenstandsquoten der Energieexporteure sind zuletzt gefallen.

Die Währungsreserven tragen ebenfalls dazu bei, dass die Emerging Markets einen höheren Schuldendienst verkraften können. Sie dienen als Puffer und geben Aufschluss darüber, wie gut ein Land mit überraschenden Schwierigkeiten zurechtkommt. Früher hielten zu geringe Währungsreserven ausländische Investoren oft von Anlagen ab, vor allem in Fremdwährungstiteln. Lokalwährungsanleihen können auch dann bedient werden, wenn die Währungsreserven kurzfristig zu niedrig sind. 

Aber wie hoch müssen die Währungsreserven sein? Das ist nicht leicht zu bestimmen. Berücksichtigt werden müssen Faktoren wie kurzfristige Schulden, Kapitalfluchtrisiko, Nachhaltigkeit der Importe und die Geldmenge, aber auch die Opportunitätskosten gegenüber Anlagen in anderen Ländern.2

Um einen Anhaltspunkt dafür zu bekommen, ob die Währungsreserven eines Landes reichen, kann man beispielsweise von den Fremdwährungsreserven die in ausländischer Währung denominierten Kurzfristschulden (staatliche und nicht staatliche) sowie das Leistungsbilanzdefizit abziehen.3 Laut Abbildung 4 reichen die Währungsreserven vieler Emerging Markets demnach aus. Doch es gibt Ausnahmen. Auch das zeigt, wie wichtig aktives Management mit einer sorgfältigen Länderauswahl ist. 

Bei steigenden Kapitalkosten sind auch die Haushaltssalden wichtig. Sie geben Aufschluss darüber, wie groß der Anteil schuldenfinanzierter Staatsausgaben ist. Die Haushaltssalden haben sich in der Coronazeit weltweit stark verschlechtert, weil riesige Hilfspakete aufgelegt wurden. Danach haben sie sich aber stabilisiert und zuletzt auch wieder verbessert.

Der Haushaltssaldo eines Landes hängt von vielen Faktoren ab – von Steuern und aktuellen Ausgaben, aber auch von den Nachwirkungen der früheren Finanzpolitik. Bei höheren Zinsen müssen die Ausgaben sorgfältig gemanagt werden, damit die Staatsschulden bedient und zurückgezahlt werden können. Außerdem darf die Schuldenstandsquote nicht zu sehr steigen. Die gute Nachricht für Emerging-Market-Investoren ist, dass sich die Haushaltssalden der Emerging Markets insgesamt nur wenig von denen der Industrieländer unterscheiden. Der Renditeaufschlag von Emerging-MarketAnleihen gegenüber Industrieländeranleihen kann daher echten Mehrwert bieten. Aber sind die Staatsfinanzen auch dann noch nachhaltig, wenn die Zinsen nicht fallen?

Aufschluss darüber könnte die Nachfrage nach Credit Default Swaps geben, mit denen man sich gegen Ausfälle von Staatsanleihen absichern kann. Zurzeit liegen die CDS-Spreads deutlich unter dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Offensichtlich fürchtet man am Markt keine Ausfälle von EmergingMarket-Anleihen auf breiter Front.

Die Fundamentaldaten sind stabil. Was könnten höhere Zinsen dann für die Erträge bedeuten?

Bei steigenden Zinsen muss man die Bewertungen von Emerging-Market-Anleihen, gemessen an Spreads und Renditen, genau im Blick behalten. Bei einer harten Landung der Konjunktur folgt auf höhere Zinsen oft eine Rezession, in der sich die Spreads aufgrund des höheren Kreditrisikos dann meist ausweiten. Oft sorgt das für attraktive Einstiegszeitpunkte für Anleger, die auf einen erneuten Spreadrückgang warten können. Zurzeit rechnen sie aber mit einer weichen Landung. Im Vergangenheitsvergleich scheinen die Spreads von Emerging-Market-Staatsanleihen daher auf den ersten Blick fair. Allerdings sind die Spreads von Papieren mit einer höheren Kreditqualität recht eng. Das heißt zwar nicht, dass man mit ihnen nichts verdienen kann, doch sind Portfoliomanager mit Einzelwertkompetenz im Vorteil.

Auch wenn man wegen der Spreads wählerisch sein muss, sind die Renditen von Emerging-MarketAnleihen attraktiv. Anleger können sich jetzt hohe Coupons sichern. Traditionell haben sie großen Einfluss auf den Langfristertrag.

Abbildung 8 zeigt den engen Zusammenhang zwischen Einstiegsrendite und Ertrag. Bei Einstiegsrenditen in Höhe der Marktrendite vom 1. April 2024 (7,8%) +/- 30 Basispunkte erzielte man in der Vergangenheit annualisierte 5-Jahres-Erträge von 4,8% bis 10,3% bei einem Median von 8,1%. 

Emerging-Market-Anleihen mögen zwar risikoreicher sein, doch bietet kaum ein anderes Marktsegment höhere Renditen. Alle drei Arten von Emerging-Market-Anleihen (Staats-, Unternehmens- und Lokalwährungsanleihen) bieten attraktive Renditen je Durationseinheit und würden davon profitieren, wenn die Notenbanken aufgrund der Normalisierung der Inflation mit Zinssenkungen beginnen.

Fazit

Die höheren Zinsen nach Corona machen den Schuldendienst für Emittenten weltweit nicht einfacher. Die Haushaltskennziffern der Emerging Markets haben sich aber deutlich verbessert. Ihre Institutionen sind heute stabiler, und die Wirtschaftspolitik ist solider geworden. Für die Fundamentaldaten der Assetklasse kann das nur gut sein, und steigende Zinsen sind keine so große Herausforderung mehr. Das macht Emerging-Market-Anleihen angesichts der hohen Renditen im Verhältnis zum Durationsrisiko interessant. Die vielfältigen emittentenspezifischen Risiken und das große Anleihenuniversum erfordern aber einen aktiven Ansatz mit Länder- und Emittentenanalysen und sorgfältigem Risikomanagement. So lassen sich sowohl Verlustrisiken begrenzen als auch Chancen durch vorübergehende Marktverzerrungen nutzen.  

Anmerkungen

1 Marney, Szentivanyi, Poojary & Lalaguna (November 2022): Emerging Markets Debt & Fiscal Indicators 2022, J.P Morgan Research.

2 Arslan & Cantu (31. Oktober 2019): The Size of Foreign Exchange Reserves, Bank for International Settlements. 

3 J. Davis & Sagnanert (8. August 2023): Emerging-Market Countries Insulate Themselves from Fed Rate Hikes, Federal Reserve Bank of Dallas.

 

Emerging Markets können weniger strukturiert, weniger diversifiziert und schlechter reguliert sein. Auch sind die Schwellenländer möglicherweise politisch, sozial und wirtschaftlich weniger stabil als Industrieländer.

Die Informationen stammen aus Quellen, die wir für verlässlich halten. J.P. Morgan übernimmt aber keine Garantie für ihre Vollständigkeit und Genauigkeit. Der Index wird mit Genehmigung von J.P. Morgan genutzt. Er darf ohne vorherige schriftliche Zustimmung von J.P. Morgan weder vervielfältigt noch genutzt oder weiterverbreitet werden. Copyright 2024, J.P. Morgan Chase & Co. Alle Rechte vorbehalten.

Quelle: Bloomberg Index Services Limited. BLOOMBERG® ist eine Handels- und Dienstleistungsmarke von Bloomberg Finance L.P. und seinen Tochtergesellschaften (zusammen „Bloomberg“). Bloomberg oder seine Lizenzgeber besitzen alle geistigen Eigentumsrechte an den Bloomberg-Indizes. Bloomberg hat dieses Dokument weder bestätigt noch genehmigt, garantiert weder die Richtigkeit noch die Vollständigkeit irgendeiner hierin enthaltenen Information, gibt keine explizite oder implizite Garantie im Zusammenhang mit den daraus gezogenen Schlüssen und schließt im größten nach anwendbarem Recht zulässigen Umfang jedwede Haftung oder Verantwortung für Schäden aus, die im Zusammenhang mit diesen Informationen entstehen.

Die hier dargestellten Meinungen sind die des Autors/der Autoren und können sich jederzeit ändern. Sie dienen ausschließlich Informationszwecken und dürfen nicht als Empfehlung, Aufforderung oder als Anlageberatung verstanden werden. Prognosen sind keine Garantien.

58054.1
close video