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Nachlassende Liquidität könnte US-Aktien schaden

Nach der Finanzkrise sorgten reichlich Liquidität, die Globalisierung und die extrem niedrigen Zinsen für steigende Kurse. Aber das könnte sich jetzt umkehren, wenn Zölle der Liquidität schaden.

AUTOR

Robert M. Almeida
Portfoliomanager und Global Investment Strategist

Im Überblick

  • Wenn die Märkte illiquider werden, steigt die Volatilität. Es lohnt sich zu analysieren, welche Aktien am stärksten darauf reagieren.
  • Seit der internationalen Finanzkrise ist das Kapital der Anleger vor allem in Finanzanlagen statt in Sachwerte geflossen.
  • Nach der Finanzkrise sorgten reichlich Liquidität, die Globalisierung und die extrem niedrigen Zinsen für steigende Kurse. Aber das könnte sich jetzt umkehren, wenn Zölle der Liquidität schaden.

Wenn die Kurse so volatil sind wie in den letzten Wochen, steigt oft die Nachfrage nach Geldmarktanlagen und die Liquidität wird knapp. Als im April so viele US-Aktien den Besitzer wechselten wie nie zuvor, ging die Liquidität zurück. Kursverzerrungen wurden häufiger.

Das extreme Missverhältnis zwischen Handelsvolumen und Liquidität mag ungewöhnlich gewesen sein. Es könnte Anlegern aber helfen zu erkennen, welche Aktien unter nachlassender Liquidität am stärksten leiden könnten.

Abbildung 1 zeigt den bekannten Mehrertrag amerikanischer Aktien seit der internationalen Finanzkrise. Natürlich hängt die Kursentwicklung immer in erster Linie von den Unternehmens-gewinnen ab. Aber gab es nicht auch andere Faktoren?

In den frühen 2010ern fürchteten Anleger vor allem eine Deflation. Besonders in den USA war die Geldpolitik extrem bemüht, negative Rückkopplungseffekte durch sinkende Preise und eine fallende Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zu verhindern. Es wurde daher sehr viel Liquidität geschaffen. Aber die Art und Weise der Geldschöpfung war nicht unproblematisch. Liquidität lässt sich auf zweierlei Weise erzeugen: durch Wirtschaftswachstum oder durch Kreditaufnahme.

Weil Banken und Haushalte sparten und Unternehmen Ausrüstungsinvestitionen nach Asien auslagerten, war Wachstum keine Option. Die USA entschieden sich daher für mehr Schulden durch Quantitative Easing. Man hoffte, dass das höhere Kreditvolumen Ausgaben, Inflation und  damit den Wohlstand fördern würde. Abbildung 2 zeigt den Anstieg der Geldmenge M2 in den USA und anderen Ländern. Man sieht, dass sie in den USA sehr viel stärker stieg. Die wachsende Geldmenge sorgte aber nicht für das erhoffte hohe Wirtschaftswachstum, weil der Transmissions- mechanismus unterbrochen war: Die Banken nutzten die zusätzliche Liquidität nicht zur Kredit- vergabe, die Verbraucher gaben nicht mehr Geld aus und die Unternehmen investierten nicht. 

Abbildung 3 fasst die beiden ersten Abbildungen zusammen. Sie zeigt die Marktkapitalisierung dividiert durch die Geldmenge. In dieser Darstellung erscheint der Mehrertrag amerikanischer Aktien noch höher, vor allem nach den Konjunkturprogrammen in der Coronazeit. Aber warum?

US-Aktien haben eine längere Duration 

Wir glauben, dass US-Aktien auch wegen der Dominanz des Technologiesektors mehr Kurspotenzial haben als Aktien aus anderen Ländern. Das führt zu einem höheren Endwert und niedrigeren Ausschüttungen an die Investoren, weil Gewinne thesauriert und im Unternehmen reinvestiert werden. Im Anleihenjargon hieße das, dass US-Aktien, vor allem Wachstums- und Technologiewerte, eine längere Duration haben als Aktien von reiferen Unternehmen mit geringerem Wachstum.

Für die Marktliquidität ist das wichtig. Für die meisten Anleger bedeutet Marktliquidität, dass sie eine Aktie zu ihrem offiziellen Kurs verkaufen können. Man kann Marktliquidität aber auch mit dem Zeitwert des Geldes in Verbindung bringen. Das Liquiditätsbeta eines Wertpapiers hängt vom Quotienten aus Marktkapitalisierung und Duration ab. So gesehen ist ein Wertpapier bei einer längeren Duration weniger liquide bzw. reagiert stärker auf Veränderungen der Marktliquidität. Abbildung 3 zeigt das, die Mindererträge amerikanischer Aktien in den letzten Wochen ebenfalls.

Warum könnte das jetzt wichtig werden?

Zölle mindern die Liquidität

Vieles ist im Fluss. Allerdings erwarte ich in nächster Zeit mehr Handelshemmnisse durch Zölle, wie hoch sie auch immer sein werden.

Da die USA mehr verbrauchen als sie produzieren, sind Zölle faktisch eine Steuer für Netto-importeure. Dazu zählen Unternehmen, die Güter einführen, um daraus etwas zu produzieren, aber auch Haushalte. Diese Steuer wird Geld aus der Realwirtschaft abziehen, egal wie hoch sie am Ende sein wird. Sie bedroht damit die unserer Ansicht nach hohen und nicht nachhaltigen Gewinnmargen. 

Fazit

„Was vergangen ist, ist nur ein Vorspiel“, heißt es in Shakespeares „Sturm“. Vielleicht ist das etwas übertrieben, aber die Vergangenheit kann uns sicher Einblicke in die Zukunft geben.

Die USA haben ein extremes Haushaltsdefizit – und die enorme Liquidität, die in den USA in den letzten 15 Jahren geschaffen wurde, hatte unmittelbare Auswirkungen auf Wertpapiere mit einer langen Duration.

Letztlich hängen die Aktienkurse immer von Gewinnen und Cashflows ab. In diesem Jahr-hundert haben US-Aktien von der Globalisierung und den künstlich niedrigen Zinsen am stärksten profitiert, da US-Unternehmen deshalb so rentabel waren wie nie zuvor. Schon oft habe ich geschrieben, dass aus diesem Rückenwind jetzt Gegenwind wird. Wenn die Zölle die Liquidität mindern, ob schnell oder langsam, wird das die Mehrerträge amerikanischer Aktien meiner Meinung nach weiter dämpfen, ebenso wie die Mehrerträge von Aktien gegenüber Private Equity.  

 

Die hier dargestellten Meinungen sind die des Autors/der Autoren und können sich jederzeit ändern. Sie dienen ausschließlich Informationszwecken und dürfen nicht als Empfehlung zum Kauf von Wertpapieren, Aufforderung oder als Anlageberatung verstanden werden. Prognosen sind keine Garantien. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist keine Garantie für künftige Ergebnisse.

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