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Nachhaltigkeit in der Praxis: Linde

Diese Fallstudie zeigt, warum CO2-Emissionen unternehmensübergreifend erfasst und analysiert werden müssen und wie wichtig pragmatische Lösungen sind, um die Netto-Null zu erreichen.

Im Überblick

Industriegasherstellern sagt man nach, zu den größten CO2-Emittenten zu zählen. Linde ist einer der ältesten und größten Hersteller von Industriegasen mit den Geschäftsbereichen Gas, Anlagenbau, Einkauf und Infrastruktur. Investoren halten solche Firmen wegen der möglichen langfristen Auswirkungen des Netto-Null-Ziels auf Geschäftsmodell und Aktienkurs mitunter für problematisch. Wir sehen das anders und glauben, dass Linde solche Einwände widerlegen kann. Die Produkte von Linde helfen den Kunden bei der Dekarbonisierung und verhindern die Freisetzung von Millionen Tonnen CO2.

Das Beispiel Linde zeigt, dass man nicht nur einzelne Zahlen betrachten darf. Die CO2-Emissionen müssen unternehmensübergreifend erfasst und analysiert werden. Es zeigt auch, wie wichtig pragmatische Lösungen sind. Die Dekarbonisierung ist komplex und facettenreich, und es gibt immer wieder Rückschläge. Investoren müssen das bei der Unternehmensanalyse berücksichtigen, um keine zusätzlichen Risiken einzugehen und keine Chancen zu verpassen. Linde zeigt eindrucksvoll, weshalb Fundamentalanalysen und kluges Engagement wichtig sind, um ein Unternehmen wirklich zu verstehen.

Für Investoren ist die Emissionsberichterstattung ein wichtiger Teil der Energiewende. Im Mittelpunkt stehen dabei die Scope-1- und Scope-2-Emissionen – die direkten Emissionen, auf die das Unternehmen unmittelbar Einfluss hat, und die indirekten Emissionen durch die Erzeugung zugekaufter Energie. Außerdem nehmen die Aufsichtsbehörden die Emissionsdaten der Unternehmen immer genauer unter die Lupe. In vielen Ländern ist die CO2-Berichterstattung mittlerweile verpflichtend, ebenso wie die Information über andere ökologische und soziale Folgen der Geschäftstätigkeit. Für Stakeholder, die mehr über die Umwelt- und Sozialfolgen des Geschäftsmodells erfahren möchten, reichen diese Kennzahlen aber nicht immer aus. Mitunter erfassen sie nicht den vollständigen Umweltfußabdruck eines Unternehmens, einschließlich der von dessen Produkten und Aktivitäten ausgehenden indirekten Emissionen der gesamten Wertschöpfungskette.

Linde zeigt eindrucks- voll, weshalb Funda-mentalanalysen und kluges Engagement wichtig sind, um ein Unternehmen wirk-lich zu verstehen.

Um die Fortschritte eines Unternehmens auf dem Weg zur Netto-Null und seine Attraktivität für Investoren zu beurteilen, muss man aus unserer Sicht neben seinem CO2-Fußabdruck auch dessen Auswirkungen auf die CO2-Bilanz der gesamten Wertschöpfungskette analysieren. Auf den ersten Blick erscheint Linde als industrieller Großkonzern, der viel schädliche Treibhausgase ausstößt und Produkte herstellt, die wiederum von anderen großen Treibhausgasemittenten genutzt werden. Wenn man aber die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet und die Kunden von Linde einbezieht, entsteht ein völlig anderes Bild.

Linde emittierte 2022 zwar 38,8 Millionen Tonnen CO2, aber das ist nur die halbe Wahrheit. In unseren Gesprächen mit der Geschäftsleitung erfuhren wir viel über den Einsatz der Produkte des Unternehmens. Linde produziert beispielsweise medizinischen Sauerstoff für Krankenhäuser, Stickstoff für die Halbleiter-herstellung, Flüssigstickstoff für das Einfrieren von Lebensmitteln, Krypton für Isolierverglasungen und Wasserstoff für die Herstellung saubererer Treibstoffe. Die Gase verbessern die Energieeffizienz, verlängern die Haltbarkeit und tragen dazu bei, Treibhausgasemissionen zu vermeiden oder zu verringern. Insgesamt wurden durch Produkte und Technologien von Linde 90 Millionen Tonnen CO2 eingespart. Damit haben die Kunden ihre Emissionen dank Linde mehr als doppelt so stark reduziert, wie Linde selbst Emissionen freigesetzt hat. Bei den absoluten Emissionen sollte man daher nicht nur die vom Unternehmen verursachten oder verantworteten Treibhausgase (Scope 1) berücksichtigen, sondern auch die Auswirkungen seiner Produkte und Aktivitäten auf die Emissionen der gesamten Wertschöpfungskette.

Diese vermiedenen Emissionen halten wir für wichtig, um das Unternehmen und vor allem seinen langfristigen Beitrag zur Dekarbonisierung und der Erreichung des Netto-Null-Ziels zu beurteilen.

Diese vermiedenen Emissionen halten wir für wichtig, um das Unternehmen und vor allem seinen langfristigen Beitrag zur Dekarbonisierung und der Erreichung  des Netto-Null-Ziels  zu beurteilen.

Worauf es ankommt

Um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir die Bedeutung von CO2-Emittenten für die absoluten Emissionen ihrer gesamten Wertschöpfungskette analysieren. Wir dürfen uns nicht auf Scope-1- und  Scope-2-Daten beschränken, sondern brauchen einen ganzheitlicheren Ansatz. Er muss außer den Emissionen besonders CO2-intensiver Unternehmen auch die Einsparung von Emissionen durch ihre Produkte und Dienstleistungen berücksichtigen.

Die Dekarbonisierung der Wertschöpfungskette ist schwierig, und die Netto-Null ist nicht leicht zu erreichen. Unter anderem ist Folgendes nötig: 

  • Verbesserungen der Berichterstattung von Ländern und Unternehmen über direkte und indirekte Emissionen und der Umweltfolgen von Unternehmensaktivitäten
  • Veränderungen des Energiemix und Priorisierung der langfristigen ökologischen Stabilität
  • Investitionen in Infrastruktur zur Modernisierung des Elektrizitätsnetzes, um von fossilen Brennstoffen unabhängiger zu werden
  • Radikale Veränderungen des Verbraucherverhaltens und der Energienutzung
  • Weltweite Harmonisierung der Politik, um Unternehmen und Verbraucher zu mehr Nachhaltigkeit anzuhalten

Wenn man all dies bei der Analyse der Dekarbonisierungsziele von Linde berücksichtigt, kommt man zu einem umfassenderen Bild. So sind Stahlproduzenten mithilfe des von Linde erzeugten Sauerstoffs energieeffizienter geworden, sodass 2022 10 Millionen Tonnen CO2 weniger freigesetzt wurden. Der Wasserstoff von Linde half Ölraffinerien bei der Produktion von extrem schwefelarmem Diesel, wodurch die Emissionen um weitere 63 Millionen Tonnen verringert wurden. Außerdem hat Linde erstmals den kommerziellen Einsatz von Wasserstoff als Brennstoff für die Herstellung von emissionsarmem Stahl erprobt. Zurzeit baut das Unternehmen die weltgrößte Wasserstoff-Elektrolyseanlage auf Basis von Protonenaustausch-Membranen (PEM). Bei der Elektrolyse wird Wasser mittels Strom in seine Elemente Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Solche Anlagen könnten dazu beitragen, dass CO2-intensive Branchen wie die Stahlproduktion in großem Umfang Wasserstoff einsetzen, der eine sauberere Alternative zu fossilen Brennstoffen wie Kohle ist. Wenn die für die Wasseraufspaltung genutzte Energie aus erneuerbaren Quellen stammt, wird der CO2-Fußabdruck der Stahlhersteller, die Wasserstoff von Linde nutzen, deutlich verringert.

Tiefergehende Analysen

Wer die Komplexitäten der Energiewende versteht, kann Linde besser beurteilen. Manchen Investoren mag das Unternehmen – wie gesagt – als riesiger CO2-Emittent erscheinen, der Dekarbonisierungsziele und Portfolioperformance gefährdet. Wir sehen das aber völlig anders. Linde tut allmählich so viel für den Klimaschutz, dass das Unternehmen maßgeblich zur Netto-Null beitragen kann. 

Emissionsziele im Überblick 

Linde hat ehrgeizige Emissionsziele und scheint sie auch einhalten zu können. Zwar liegen für die Chemieindustrie noch keine Sektorrichtlinien vor, doch plant Linde in den nächsten zwei Jahren ein wissenschaftsbasiertes Ziel. Gerade erst ist man der Stakeholder Advisory Group beigetreten, um entsprechende Richtlinien zu entwickeln. Darüber hinaus hat das Unternehmen folgende Ziele:

Ein Blick nach vorn 

Weil die Industriegasbranche zu den weltgrößten CO2-Emittenten zählt, kann man die positiven Umwelt-wirkungen von Linde leicht übersehen, wenn man sich allein die klassischen Daten ansieht. Aus unserer Sicht hat Linde ehrgeizige und realistische Ziele. Das Unternehmen trägt dazu bei, die Lieferketten der Kunden zu dekarbonisieren, sodass Millionen Tonnen CO2 weniger freigesetzt werden. Diese Fallstudie zeigt, was aktive Eigentümerverantwortung und Engagement bewirken können und weshalb Fundamental-analysen so wichtig sind, um Chancen und Risiken zu verstehen. Das gilt für den Klimaschutz ebenso wie für andere Nachhaltigkeitsthemen. Wir glauben, dass Linde durch die Energiewende weiter wachsen kann und durch niedrigere Treibhausgasemissionen umweltfreundlicher wird. Auf dem Weg zur Netto-Null werden wir daher weiter eng mit Linde zusammenarbeiten.

 

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